Playlist

Antisemitismus im deutschen Gangsta-Rap 1

Woran erkennt man antisemitisches Verhalten bei Gangsta-Rapper*innen?

Dirk Uhlig

Medienradar, 07/2020

Hat der deutsche Rap, insbesondere der Gangsta-Rap, ein Antisemitismusproblem? Kann man diese Frage schon anhand einzelner Lines beantworten und wie erkennt man Lines, die ein Indiz hierfür sein könnten? Welche Rolle spielen die Lebenswelten der Rapper*innen, woran machen sich Haltungen zum Thema fest? Inwiefern begünstigen die Inszenierungsmuster des Gangsta-Rap das Entstehen antisemitischer Narrative? Oder zeigen sich gesellschaftlich längst existierende Phänomene nur besonders exponiert im Gangsta-Rap und werden (durch die zentrale Position des Rap in der heutigen Jugendkultur) wie durch ein Brennglas verstärkt in die Gesellschaft zurückgegeben? In dieser Playlist sind verschiedene Materialien zusammengestellt, die in ihrer Gesamtheit wesentliche Positionen des derzeitigen Diskurses abbilden. Neben Musikvideobeispielen in ihrer Mischung aus Sprache und filmischer Inszenierung finden sich hier wertvolle Hintergrundinformationen aus Dokumentationen, Radiobeiträgen, Vorträgen und Podiumsdiskussionen zum Thema.

1. Antisemitismus – eine Begriffsklärung

Im deutschen Rap tauchen immer wieder antisemitische Stereotype auf. Mal sind sie als vermeintlicher Tabubruch oder als Provokation inszeniert, oft finden sie sich in Tracks über den Nahostkonflikt oder dienen einfach als Punch­line im Battle-Rap. Neu ist diese Debatte nicht; sie hat jedoch mit der Verleihung des Echo-Musikpreises an Kollegah und Farid Bang eine neue Sensibilität bekommen.

Doch wie antisemitisch ist der deutsche Rap wirklich? Diese Frage diskutierten Marcus Staiger, Journalist und ehemaliger Labelbetreiber von Royal Bunker, Ben Salomo, jüdischer Rapper und Gründer von Rap am Mittwoch, Viola Funk, Journalistin und Regisseurin der WDR-Dokumentation Die dunkle Seite des deutschen Rap und Jakob Baier, Politikwissenschaftler und Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung, gemeinsam am 12.07.2018 auf dem Podium Wie antisemitisch ist der deutsche Rap?. David Häußer, bekannt als der Rapper form, moderierte die Diskussion.[1]

Jakob Baier, der sich in seiner Doktorarbeit mit dem Judenbild im deutschsprachigen Rap auseinandersetzt, gibt eingangs eine kurze Begriffsklärung zum Thema Antisemitismus.

2. Struktureller Antisemitismus im Rap

Viola Funk beschäftigt sich in ihrer WDR-Dokumentation Die dunkle Seite des deutschen Rap mit der Frage, ob und inwiefern der deutsche Rap ein Antisemitismusproblem hat. In ihrem Beitrag arbeitet sie den strukturellen Antisemitismus als eine der Formen heraus, die durchaus im heutigen Rap-Genre anzutreffen sind.[2] Monika Schwarz-Friesel, Leiterin des Fachgebietes Allgemeine Linguistik an der Technischen Universität Berlin, ordnet die Lines über „Juden an der Börse“ eindeutig dem strukturellen Antisemitismus zu.

3. Israelbezogener Antisemitismus im Rap

Im WDR-Beitrag Die dunkle Seite des deutschen Rap arbeitet Viola Funk desweiteren die Eigenschaften des israelbezogenen Antisemitismus heraus, der ebenfalls im heutigen Rap-Genre anzutreffen ist.[2] Im Ausschnitt kommen Monika Schwarz-Friesel, Professorin im Fachbereich Linguistik an der TU Berlin, sowie die Rapper PA Sports und Koljah von der Antilopen Gang zu Wort.

4. Inszenierungsnarrative im Gangsta-Rap

Wie antisemitisch ist der deutsche Rap wirklich? Diese Frage diskutierten Marcus Staiger, Journalist und ehemaliger Labelbetreiber von Royal Bunker, Ben Salomo, jüdischer Rapper und Gründer von Rap am Mittwoch, Viola Funk, Journalistin und Regisseurin der WDR-Dokumentation Die dunkle Seite des deutschen Rap und Jakob Baier, Politikwissenschaftler und Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung, gemeinsam am 12.07.2018 auf dem Podium Wie antisemitisch ist der deutsche Rap?. David Häußer, bekannt als der Rapper form, moderierte die Diskussion.[1]

Jakob Baier spricht über die vorherrschenden Inszenierungsnarrative im Gangsta-Rap und deren Beziehung zu antisemitischen Denkmustern.

5. Der Song „Contraband“ und eine Analysehilfe

Der Song „Contraband“ von Fard ft. Snaga löste nach seinem Erscheinen 2014 die bisher größte Kontroverse in der Debatte über Antisemitismus im Deutschrap aus. Der Song steckt voller Lines, in denen klare Hinweise auf einen offenen sekundären, strukturellen sowie israelbezogenen Antisemitismus zu erkennen sind. Sie werden durch die militante Bildsprache im Video verstärkt.

Hier das offizielle Video,[3] gekoppelt mit einer Analysehilfe von David Häußer, ebenfalls bekannt als der Rapper form. David Häußers Kommentar ist Teil des Vortrags Antisemitismus im deutschsprachigen Rap, gehalten am 12.12.2017 im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus in der Buchte/Bremen.[4]

6. PA Sports ft. Kollegah: „HS.HC“

PA Sports sagt in der WDR-Dokumentation Die dunkle Seite des deutschen Rap,[2] er glaube, dass es im deutschen Rap keinen Antisemitismus gebe. Antisemitismus bedeute für ihn, dass man die Religion des Judentums hasse und diesen Menschen den Tod wünsche. Das Wort „Holocaust“, das er im gemeinsamen Track mit Kollegah „HS.HC“ (Hurensohn. Holocaust) verwendet, bedeute in erster Linie „totale Vernichtung“, „vollständig verbrannt“. Nun wird mit dem Song aber unter anderem SpongeBozz aka Sun Diego – ein Rapper jüdischer Herkunft – gedisst. Wenn man eine*n jüdische*n Rapper*in mit dem Wort „Holocaust“ angreift, ist das dann nur geschmacklos oder auch antisemitisch? Man kann sicher diskutieren, ob eine solche Line allein durch den Tatbestand des Battle-Raps legitimiert ist.

7. Prinz Pi – sogenannter linker Antisemitismus

Der Rapper Prinz Pi betrat Dendemanns Bühnenshow im NEO MAGAZIN ROYALE mit einem weißen Pullover, auf dem das Logo einer palästinensischen Entwicklungshilfeorganisation, der Sharek Youth Foundation, zu sehen war.[5] Die dann gerappten Zeilen spielen nicht nur auf den legendär gewordenen Hausbesuch des Rappers Fler beim Journalisten Frédéric Schwilden wegen seines WELT-Artikels über Antisemitismus im Deutschrap an.[6]  Sie ziehen auch bizarre politische Parallelen: Ahmadinedschad, Kernfusion. Ahmadinedschad ließ in seiner Amtszeit keine Gelegenheit aus, Israel mit antisemitischer Rhetorik unter Beschuss zu nehmen, inklusive Holocaustleugnung und atomaren Vernichtungsfantasien. Konstantin Nowotny weiß in seinem Vortrag Gefährliche Tendenzen – Antisemitismus im Deutsch-Rap (gehalten am 04.12.2017 in Esslingen) zu berichten, dass diese Rhetorik bei Prinz Pi kein Einzelfall ist.[7]

1. Lines gegen Antisemitismus

Im Song „Wenn es brennt“ wird die Resignation der jüngeren Generationen in sozialen Brennpunkten thematisiert. Um auf die sozialen Missstände hinzuweisen, benutzen K.I.Z hier eine überzogene Provokation als durchgehendes Stilmittel.

„brich die Schule ab
stich ein' Schwulen ab
auch du kannst ein Künstler sein - bemal ein Judengrab“

Die letztgenannte Line richtet sich gegen Antisemitismus - konkret gegen Grabschmierereien auf jüdischen Friedhöfen. Indirekt wird aber auch Bezug genommen auf die Rechtfertigung antisemitischer Lines in deutschen Raptexten mit dem Argument der „künstlerischen Freiheit“.

2. „Man sollte sich damit auseinandersetzen, was das ist, »Antisemitismus«.“

„In Songs und Videos werden Bitches gefickt, Schwuchteln geprügelt und es wird gegen Israel gehetzt. Sind das Ausnahmen oder ist das die Regel? Ist Deutsch-Rap wirklich so diskriminierend...?“ heißt es in der Ankündigung zur Reportage Realtalk mit K.I.Z. und Co. - Homophobie und Antisemitismus im Deutschrap des Y-Kollektivs. Im vollständigen (auf Y-zwei veröffentlichten) Q&A zur Reportage fordert der Befragte Maxim von K.I.Z mit Nachdruck eine breite, offen und konkret geführte Diskussion zum Thema Antisemitismus und Rassismus ein.[8] Er wendet sich damit klar gegen Verbote und jegliche Form moralischer Bewertung – diese würden eine dringend notwendige Debatte allenfalls verhindern.

 

 

3. Ben Salomo – Mit Wortgewalt gegen jede Form von Antisemitismus

In der Reihe Alltagsrassismus protokolliert von Amnesty International Deutschland wird der jüdische Rapper Ben Salomo interviewt.[9] Immer wieder begegnet er sich hartnäckig haltenden Klischees und Ressentiments gegenüber seiner Person als Jude, auch und gerade im deutschen Rap.

4. Rap als Spiegel der Gesellschaft

Wie antisemitisch ist der deutsche Rap wirklich? Diese Frage diskutierten Marcus Staiger, Journalist und ehemaliger Labelbetreiber von Royal Bunker, Ben Salomo, jüdischer Rapper und Gründer von Rap am Mittwoch, Viola Funk, Journalistin und Regisseurin der WDR-Dokumentation Die dunkle Seite des deutschen Rap und Jakob Baier, Politikwissenschaftler und Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung, gemeinsam am 12.07.2018 auf dem Podium Wie antisemitisch ist der deutsche Rap?. David Häußer, bekannt als der Rapper form, moderierte die Diskussion.[1]

Marcus Staiger legt den Fokus der Debatte auf den Umgang der deutschen Gesellschaft mit Rassismus. Der Gangsta-Rap mit seinen Merkmalen und Inhalten sei seiner Meinung nach nur ein Spiegel des gesellschaftlichen Umgangs mit den besprochenen Inhalten. Deshalb gehe eine Isolierung der Frage nach dem Antisemitismus im Gangsta-Rap an der eigentlichen Kernfrage des Diskurses vorbei und werde so zu keiner schlüssigen Antwort führen können.

5. Medienwirkung und Verstärkung

Wie antisemitisch ist der deutsche Rap wirklich? Diese Frage diskutierten Marcus Staiger, Journalist und ehemaliger Labelbetreiber von Royal Bunker, Ben Salomo, jüdischer Rapper und Gründer von Rap am Mittwoch, Viola Funk, Journalistin und Regisseurin der WDR-Dokumentation Die dunkle Seite des deutschen Rap und Jakob Baier, Politikwissenschaftler und Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung, gemeinsam am 12.07.2018 auf dem Podium Wie antisemitisch ist der deutsche Rap?. David Häußer, bekannt als der Rapper form, moderierte die Diskussion.[1]

Jakob Baier spricht über die Medienwirkung und Verstärkerphänomene des Gangsta-Raps als zentrale Jugendkultur.

1. Wie antisemitisch ist der deutsche Rap?, Podiumsdiskussion, geführt am 12.07.2018, www.youtube.com/watch?v=ftZ_mcs55hU (abgerufen am 03.07.2020).

2. Die dunkle Seite des deutschen Rap, Dokumentation von Viola Funk, in: Die Story, WDR 03/2018, https://programm.ard.de/TV/wdrfernsehen/die-dunkle-seite-des-deutschen-rap/eid_28111577766950 (abgerufen am 03.07.2020) / www.youtube.com/watch?v=HXZCmXK9wWc (abgerufen am 02.07.2020).

3. Fard ft. Snaga: „Contraband (Intro)“, Album: Talion II, Sony/ATV Music Publishing LLC., www.dailymotion.com/video/x1g3a9h (abgerufen am 02.07.2020).

4. Häußer, David: Antisemitismus im deutschsprachigen Rap, Vortrag im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus, gehalten am 12.12.2017 in Bremen.

5. Eine deutsche Rapgeschichte Part II | NEO MAGAZIN ROYALE mit Jan Böhmermann - ZDFneo vom 15.12.2016, https://www.youtube.com/watch?time_continue=413&v=beU3_04HL60&feature=emb_logo (abgerufen am 23.09.2020).

6. Schwilden, Frédéric: Wie der Rapper Fler die „Welt“ bedroht, in: WELT vom 20.11.2014, https://www.welt.de/kultur/pop/article134563256/Wie-der-Rapper-Fler-die-Welt-bedroht.html (abgerufen am 02.07.2020).

7. Nowotny, Konstantin: Gefährliche Tendenzen – Antisemitismus im Deutschrap, Vortrag, gehalten am 09.12.2017 in Esslingen/Neckar, http://emafrie.de/audio-gefaehrliche-tendenzen-antisemitismus-im-deutschrap/ (abgerufen am 02.07.2020).

8. Interview mit Maxim von K.I.Z. – Homophobie und Antisemitismus im Hip-Hop, in: Y-zwei von funk vom 28.11.2017, https://www.youtube.com/watch?v=EO9B5NGB5N8 (abgerufen am 03.07.2020).

9. Ben Salomo – Mit Wortgewalt gegen Antisemitismus, in: Alltagsrassismus protokolliert, Amnesty International Deutschland vom 26.04.2017, www.amnesty.de/2017/4/26/ben-salomo-mit-wortgewalt-gegen-antisemitismus (abgerufen am 03.07.2020).

Zusammengestellt von

Dirk Uhlig arbeitete bereits seit 2007 als freier Gestalter eng mit dem Medienpädagogik-Team der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) für die Entwicklung und Umsetzung der Projekte Krieg in den Medien und Faszination Medien zusammen. Seit 2017 gehört er zum festen Team der Medienpädagogik der FSF. Nebenbei ist er als freier Dokumentarfilmschaffender tätig.

[Bild: privat]
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