Zahlen / Fakten

Gangsta-Rap – eine Studie

Rezeption von Schüler*innen der Sekundarstufe I

Markus Sator

2016, gekürzt und zusammengestellt von Medienradar, 08/2020

Gegenstand der Erhebung waren die Rezeptionsgewohnheiten von Gangsta-Rap durch Schüler*innen der Sekundarstufe I. Die Ergebnisse der Untersuchung werden dargestellt sowie unter gesellschaftlichen, literarischen und schulischen Aspekten bewertet. Unter Berücksichtigung der zuvor gewonnenen Erkenntnisse diskutiert der Autor, ob und unter welchen Bedingungen Rap-Songs Eingang in den Deutschunterricht finden sollten.

Methodik

Die Erhebung wurde in insgesamt neun 10. Klassen vier unterschiedlicher Schularten durchgeführt: in zwei Klassen einer Werkrealschule, in zwei Klassen einer Realschule, in zwei Klassen einer privaten Realschule sowie zu Vergleichszwecken in drei Klassen eines Gymnasiums.

Bei der Untersuchung stand die Frage im Vordergrund, welche Art von Gangsta-Rap die Schüler*innen rezipieren und wie sie das Genre insgesamt aus ihrer Sicht beurteilen. Besonders interessant erschien es zu beleuchten, welche Rezeptionsunterschiede es bezüglich der verschiedenen Schularten gibt. Die Ergebnisse dienen unter anderem dazu, einschätzen zu können, ob und in welcher Form Gangsta-Rap oder Rap allgemein in der Schule thematisiert werden sollte.

Die Erhebung ist von rein qualitativer Natur, d. h. die gewonnenen Ergebnisse können nicht mit statistischen Verfahren auf eine Grundgesamtheit hochgerechnet werden.

Fragebogen

Beim Entwurf eines Fragebogens und der Durchführung der Befragung wurde auf einige wesentliche Punkte geachtet, um die Schüler*innen zu motivieren, ernsthaft teilzunehmen und wahrheitsgemäße Angaben zu machen sowie um Verständnisprobleme von Seiten der Teilnehmenden möglichst zu vermeiden. Der Autor der Arbeit folgte bei der Konstruktion des Fragebogens den Psycholog*innen Mummendey und Grau (2014: 39), nach deren Einschätzung „alle Bestandteile von Fragebogen, die Fragen selbst, deren Reihenfolge, die Antwortalternativen und die Antwortskalen selbst einen Einfluss auf die Informationsverarbeitung“ und somit auch auf die Antworten hatten. Danach sollten die Formulierungen möglichst neutral und einflussfrei formuliert worden sein. 

Für das Ausfüllen des Fragebogens wurde eine Unterrichtsstunde von 45 Minuten veranschlagt. Bevor der Fragebogen an die Klasse ausgeteilt wurde, wurden die wesentlichen Punkte gemeinsam besprochen. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die Studie anonym ist und die Teilnehmenden keinerlei Nachteile zu befürchten hätten.

Der zweiseitige Fragebogen ist inhaltlich in drei Teile strukturiert. Im ersten Teil (Fragen 1–7) gaben die Teilnehmenden der Studie Auskunft über ihre persönlichen Bezüge zum Gangsta-Rap, ihre Präferenzen hinsichtlich der Rezeption von Gangsta-Rap. Im zweiten Teil wurden die Meta-Kenntnisse der Schüler*innen über das Genre geprüft, indem die Bedeutung von Fachausdrücken abgefragt wurde. Im dritten Teil äußerten die Befragten ihre persönliche Meinung über Gangsta-Rap. Am Ende gaben die Schüler*innen Auskunft über ihren persönlichen Hintergrund.

Zur Motivation wurde zu Beginn des Fragebogens ein Ausschnitt eines relativ bekannten Rap-Textes abgebildet, der gleichzeitig die Einstiegsfrage, was Gangsta-Rap sei, beantwortet hat. Die erste Frage diente weniger der eigentlichen Auswertung, sondern sollte im Falle von Unklarheiten vor Ort und Stelle zur Klärung führen. Dies erschien notwendig, da Gangsta-Rap – wie anfangs erläutert wurde – nicht grenzscharf definiert werden kann.

Die Fragen 2 und 3 bezogen sich als ebenfalls geschlossene Fragen mit vorgegebenen Antwortalternativen auf die generelle Präferenz, auf die allgemeinen Rezeptionsgewohnheiten der Schüler*innen. Die Fragen waren jeweils mit einem Kreuz aus vier Möglichkeiten zu beantworten.

Die Fragen 4 bis 7 dagegen waren offene Fragen, das heißt, die Befragten haben eigene Antworten formuliert. Es wurden keine Antwortoptionen vorgegeben. Frage 4 zielte darauf herauszufinden, wie intensiv die Schüler*innen sich mit der Rap-Szene beschäftigen. Die Fragen 5 und 6 nach bestimmten Vorlieben für gewisse Interpret*innen sind in Bezug zu den an anderer Stelle definierten Lagern zu sehen. Auf diese Weise ließ sich der Musikgeschmack jedes*r Einzelnen zumindest annähernd einschätzen. Die Zusatzfragen nach dem „Was“ beziehungsweise „Warum“ enthüllten die Motivation, die hinter der Präferenz steckt. In Frage 7 ging es weniger um die Hauptfrage („Welcher Titel ...“) als um die Zusatzfragen: Zum einen wurde das Textverständnis bezüglich eines beliebten, vermutlich mehrmals gehörten Rap-Songs abgefragt. Zum anderen sollte für jede Konstituente des Werkes angegeben werden, wie sehr sie den Schüler*innen gefällt. Damit es sich die Befragten nicht zu einfach machen konnten, wurde ganz bewusst auf die Antwortalternative „weiß ich nicht“ verzichtet. Diese Möglichkeit wurde mündlich angeboten für den Fall, dass eine bestimmte Einheit des Songs – zum Beispiel das Video – nicht existierte oder den Teilnehmenden unbekannt war. Bezüglich sämtlicher Fragen wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, je nach Präferenz auch Rapper*innen nennen zu dürfen, die nicht dem Genre des Gangsta-Rap angehören.

In Teil 2 des Fragebogens wurde das Metawissen der Schüler*innen anhand von drei Fachbegriffen aus dem Hip-Hop getestet. Es wurden drei Antworten zur Auswahl vorgegeben, von denen nur eine richtig war. Außerdem gab es die Möglichkeit, das Feld „KEINE AHNUNG!“ anzukreuzen.

In Teil 3 war die eigene Meinung der Schüler*innen gefragt. Anhand von 27 vorgegebenen Eigenschaftswörtern gaben die Teilnehmer*innen an, wie sie Gangsta-Rap-Songs überwiegend einschätzen. Die Antworten geben einen Anhaltspunkt dafür, wie die Rezeption auf sie wirkt. Allerdings muss man beachten, dass die Antworten zum einen davon abhängen, welche exakte Bedeutung individuell mit den Adjektiven verbunden wird, zum anderen davon, welche Art von Songs und Interpret*innen bevorzugt rezipiert werden.

Anschließend wurde durch zwei Fragen festgestellt, ob Anschlusskommunikation stattfindet und ob gewünscht wird, Gangsta-Rap auch in der Schule durchzunehmen.

Am Ende des Fragebogens wurden persönliche Angaben der Schüler*innen abgefragt. Es war zu erwarten, dass die Rezeptionsgewohnheiten sehr deutlich vom Geschlecht abhängen. Die abschließende Frage nach den zu Hause gesprochenen Sprachen sollte auf diskriminierungsfreie Weise den jeweiligen Migrationshintergrund erschließen.

Auswertung

Von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, beantworteten die an der Studie teilnehmenden Schüler*innen die Fragen konzentriert, motiviert und wahrheitsgemäß. Dies schloss der Verfasser der vorliegenden Studie aus seiner Wahrnehmung vor Ort sowie aus den durchweg plausiblen Ergebnissen. Nur ein einziger Fragebogen konnte nicht verwendet werden.

Insgesamt wurden 193 Schüler*innen der 10. Klasse befragt, 38 in der Werkrealschule (WRS), 47 in der Realschule (RS), 42 in der privaten Realschule (Priv. RS) sowie 66 im Gymnasium (Gym). 26 % der Befragten sprechen zu Hause neben Deutsch noch eine weitere Sprache. Vereinfacht wird hier von einer Art von Migrationshintergrund ausgegangen. 59 % der Befragten sind männlich, 41 % weiblich. Da das Geschlechterverhältnis von Schule zu Schule differiert – 67 % männliche Schüler an der privaten Realschule und 53 % am Gymnasium – und das Rezeptionsverhalten signifikant vom Geschlecht abhängt, muss dieser Aspekt bei der Bewertung der Ergebnisse stets berücksichtigt werden.

Wie oft hörst du Gangsta-Rap?

Etwa ein Drittel aller Befragten rezipiert täglich Gangsta-Rap. Jeweils ein Viertel hört manchmal beziehungsweise selten und nur jede*r Fünfte zu keiner Zeit.

Rezeptionshäufigkeit nach Geschlecht

Wie zu erwarten war, rezipieren weibliche Jugendliche wesentlich seltener Gangsta-Rap (14 % täglich, 35 % nie) als männliche Jugendliche (41 % täglich, 12 % nie).

Rezeptionshäufigkeit nach Schulart

Die Hörgewohnheiten der Schüler*innen hängen sehr stark von der Schulart ab. Die meiste Zeit verbringen die Teilnehmenden der Werkrealschule mit der Rezeption von Gangsta-Rap. Von ihnen hören 45 % täglich Musik dieses Genres, nur 11 % gar nicht. Etwas niedrigere Rezeptionshäufigkeiten werden für die Schüler*innen der Realschulen festgestellt. Gymnasiast*innen verbringen die geringste Zeit damit, Gangsta-Rap-Songs anzuhören. Nur etwa 14 % von ihnen rezipieren sie täglich, 30 % dagegen nie.

Rezeptionshäufigkeit nach Migrationshintergrund

Die Unterscheidung nach dem Migrationshintergrund ergibt keine nennenswerten Erkenntnisse. Teilnehmende, die zu Hause neben Deutsch noch eine weitere Sprache sprechen, verbringen den Auswertungen zufolge zwar mehr Zeit mit der Rezeption von Gangsta-Rap als Schüler*innen ohne Migrationshintergrund. Die Verhältnisse bezüglich der kulturellen Hintergründe erscheinen jedoch äußerst heterogen, sodass nicht von einer homogenen Gruppe von Schüler*innen mit Migrationshintergrund gesprochen werden kann. Im Weiteren wird deshalb auf die Unterscheidung nach dem Migrationshintergrund verzichtet.

Wie gefällt dir Gangsta-Rap?

Etwas mehr als der Hälfte aller Befragten gefällt Gangsta-Rap gut oder sehr gut. Nur jeder*jedem Fünften gefällt Gangsta-Rap nicht. Auch hier fällt der große Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Befragten auf. Während etwa zwei Drittel der männlichen Schüler Gangsta-Rap gut oder sehr gut gefällt, trifft dies nur für ein Drittel der weiblichen Jugendlichen zu. Nur jedem zehnten männlichen Schüler gefällt Gangsta-Rap nicht, bei den Schülerinnen sind es immerhin 35 %.

Beliebtheit nach Schulart

Analog zu den Hörgewohnheiten hängt auch die Beliebtheit des Gangsta-Rap sehr stark von der Schulart ab. Während nur einem Drittel der Gymnasiast*innen diese Art von Musik gut oder sehr gut gefällt, sind es bei den Werkrealschüler*innen beinahe drei Viertel. In der Realschule und der privaten Realschule beträgt der Anteil der Gangsta-Rap-Begeisterten etwas mehr als 50 %.

Welche Gangsta-Rapper*innen kennst du?

Auf die Frage, welche Gangsta-Rapper*innen den Schüler*innen bekannt seien, wurden insgesamt 115 verschiedene Interpret*innen – darunter auch englischsprachige Künstler*innen sowie Rapper*innen, die nicht explizit als Gangsta-Rapper*in gehandelt werden – genannt. Die Hälfte der Befragten gibt mehr als fünf Interpret*innen an. Nur jede*r Zehnte kann keine Interpret*innen nennen.

Anzahl der bekannten Gangsta-Rapper*innen nach Schulart

Bezüglich der Anzahl der genannten Rapper*innen fällt die Schulart der Befragten nicht so sehr ins Gewicht wie bei den vorhergehenden Fragen. Knapp die Hälfte der Gymnasiast*innen kennt mehr als fünf Interpret*innen, von den Befragten der anderen Schularten sind es etwas mehr als 50 %. Die Werkrealschüler*innen sind auch bei dieser Fragestellung mit 58 % an erster Stelle.

Wer ist dein*e Lieblingsrapper*in?

Die Frage nach ihrem*ihrer Lieblingsrapper*in lassen 65 der 193 befragten Schüler*innen unbeantwortet. Knapp die Hälfte der genannten Lieblingsrapper*innen sind dem deutschen Gangsta-Rap zuzuschreiben, jeder zehnte Genannte gehört zwar zu den deutschen Rapper*innen, aber nicht zu dem Subgenre Gangsta. und 7 % der genannten Rapper*innen sind US-amerikanische. Der von insgesamt 19 Schüler*innen genannte Rapper Kollegah ist der mit Abstand beliebteste Musiker, gefolgt von Shindy und K.I.Z. Unter den zehn Meistgenannten finden sich außerdem die Rapper Bushido, KC Rebell, SpongeBozz, Sido, Kurdo und Genetikk sowie der US-amerikanische Rapper Eminem.

Kategorisierung der Lieblings-Rapper*innen

Um deutlich zu machen, welche Art von Musikgeschmack die Schüler*innen haben, werden die genannten Rapper*innen den beiden Lagern „authentisch“ versus „ironisch” sowie den Merkmalen „Gangsta-Rap“ oder „kein Gangsta-Rap“ zugeschrieben. Dazu wird auf die Expertise der Interviewpartner*innen zurückgegriffen. Dieser subjektiven Einschätzung folgend, findet sich unter den drei beliebtesten Künstler*innen kein*e „authentische*r“ Gangsta-Rapper*in. Kollegah, Shindy und K.I.Z. werden als „ironische” Gangsta-Rapper eingestuft. Als beliebtester „authentischer” Gangsta-Rapper wird Bushido genannt. Für ihn sprechen sich insgesamt sieben Schüler*innen aus.

Lieblingsrapper*in nach Schulart

Bei der Frage nach dem*der Lieblingsinterpret*in gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Angaben der Schüler*innen verschiedener Schularten. Knapp die Hälfte der Gymnasiast*innen und der Realschüler*innen sieht sich nicht im Stande, die Frage zu beantworten. Diese Jugendlichen haben folglich keine*n ausgesprochene*n Lieblingsinterpret*in. Die Schüler*innen der Werkrealschule und der privaten Realschule dagegen geben zu einem Anteil von etwa drei Vierteln eine*n Lieblingsrapper*in an. Am Gymnasium und an der Werkrealschule geben jeweils etwa 15 % eine*n US-amerikanische*n Rapper*in als Lieblingsinterpret*in an. An der Realschule und der privaten Realschule ist der Anteil dagegen vernachlässigbar. An allen Schulen liegt der Anteil der Schüler*innen, deren Lieblingsrapper*in nicht als Gangsta-Rapper*in eingeschätzt wird, bei etwa 10 %.

Lieblingsrapper*in nach angegebenem Grund

Die frei von den Schüler*innen eingetragenen Gründe für die Kür ihres*ihrer Lieblingsrappers*Lieblingsrapperin werden zur Auswertung der Ergebnisse den drei Merkmalen Inhalt, Umsetzung und Persönlichkeit zugewiesen. Das Merkmal Inhalt bezieht sich auf den Inhalt der Rap-Texte, das Merkmal Umsetzung auf Beat, Sprache und Flow der Songs und das Merkmal Persönlichkeit auf die Beliebtheit des*der Rappers*Rapperin aufgrund persönlicher Eigenschaften. Da teilweise mehrere Gründe angegeben werden, ergeben sich sieben unterschiedliche Antwortkategorien: keine Angabe, Inhalt, Umsetzung, Persönlichkeit, Inhalt und Umsetzung, Inhalt und Persönlichkeit, Umsetzung und Persönlichkeit.

Zu etwa gleichen Anteilen von 15 % bis 18 % werden von den meisten Schüler*innen als Gründe Inhalt, Umsetzung sowie Inhalt und Umsetzung genannt. 14 % der Befragten benennen ihre*n Lieblingsrapper*in auch aufgrund dessen*deren Persönlichkeit. Mehr als jede*r Dritte lässt die Frage unbeantwortet.

Lieblingsrapper*in nach angegebenem Grund und Schulart

Auch bezüglich der Angabe des Grundes für die Bevorzugung einer*eines bestimmten Rappers*Rapperin differieren die Angaben der Schüler*innen unterschiedlicher Schulart in hohem Maße. Auffällig erscheint, dass sich ausgerechnet die Werkrealschüler*innen am wenigsten durch die Persönlichkeit der Musiker*innen beeinflussen lassen, sondern ihre Präferenzen in erster Linie auf die Werke selbst oder deren Darbietung zurückführen. Von ihnen werden Antworten wie „sein flow, die Thematiken“, „gute Texte“, „die Stimme, die Rapps“ oder „Realer Rap Rappen was sie leben“ gegeben. Dagegen beziehen sich mehr Schüler*innen der privaten Realschule mit Antworten wie „Er ist sehr lustig“, „Er ist der Boss“ oder „Cool Muskeln“ auf die Persönlichkeit beziehungsweise das Aussehen des*der Rappers*Rapperin. Ein Interviewpartner versichert, ausschließlich Rap-Songs von Bushido zu hören, auch wenn sie mal schlecht seien. Er höre Bushido schon seit Jahren, weil er einfach der Beste sei.

Welche*n Rapper*in magst du nicht?

Die unbeliebtesten Rapper*innen der Studie sind Kay One, Bushido, Farid Bang und Haftbefehl, zumeist Vertreter des „authentischen“ Lagers und mit deutlich mehr Nennungen als die beliebtesten Interpret*innen. Dies zeigt, dass die „authentischen“ Rapper*innen eher polarisieren; man ist entweder treue*r Anhänger*in oder lehnt sie komplett ab.

Unbeliebte Rapper*innen nach Schulart

An der privaten Realschule weicht das Ergebnis hiervon ab. Dort haben sich viele Schüler*innen auf den Rapper Kay One („ironisches” Lager) „eingeschossen” und ächten ihn mit der Begründung, er sei „schwul“.

Unbeliebte Rapper*innen nach angegebenem Grund

Insgesamt spielen bei der Angabe des Grundes für das Verschmähen eines*einer Rappers*Rapperin die persönlichen Eigenschaften der Musiker*innen eine größere Rolle als bei der Frage nach den Lieblingsinterpret*innen. So wird Kay One als „kokainsüchtiger Verräter“ betitelt oder Bushido mit der Angabe „Ich kann den nicht leiden“ abgekanzelt. Ein Werkrealschüler stört sich an Kollegahs Bildungsniveau und gibt an: „Seine Stimme ist zu Deutsch [sic!] und er hat Jura studiert“.

Angaben zum Textinhalt des Lieblingssongs

Bei der Frage nach dem Lieblingstitel der Schüler*innen geht es vorrangig um die daran anschließenden Zusatzfragen: zum einen nach dem Inhalt des Textes und zum anderen nach den Konstituenten des Songs. Die Angaben der Schüler*innen zur Frage, wovon ihr Lieblingssong handle, werden den Kategorien „simple Antwort“ und „elaborierte Antwort“ zugeordnet. Beispiele für simple Antworten sind: „Das [sic!] ihr Ex ein Hurensohn ist“ oder „Er will die Shisha haben“. Beispiele für elaborierte Antworten sind: „Um die legalisierung [sic!] von Marihuana und dass die Gesellschaft viel zu unaufgeklärt ist“ oder „Im Text wird dazu aufgerufen [sic!] auch als erfolgloser Kämpfer weiterzumachen und nach vorne zu blicken“. Natürlich hängt es unter anderem von der inhaltlichen Komplexität eines Songs ab, ob eine elaborierte Antwort überhaupt gegeben werden kann. Andererseits hat es sicherlich eine gewisse Aussagekraft, wenn der Lieblingssong eines*einer Schülers*Schülerin nur simple Antworten zulässt.

Fast die Hälfte aller Schüler*innen – darunter einige wenige, die einen Lieblingstitel angeben – lässt die Frage nach dem Textinhalt des Lieblingstitels unbeantwortet. Ein knappes Drittel der Befragten gibt eine elaborierte und ein Viertel eine simple Antwort.

Angaben zum Textinhalt des Lieblingssongs nach Schulart

Während die meisten Schüler*innen des Gymnasiums und der privaten Realschule, die Angaben zum Textinhalt des Lieblingssongs gemacht haben, elaborierte Antworten geben, sind es bei der Realschule überwiegend simple Antworten. Die Werkrealschüler*innen zeigen sich diesbezüglich ausgewogen.

Was gefällt dir an deinem Lieblingssong?

Bezüglich der Frage nach den Konstituenten des Lieblingssongs zeigt sich, dass für die Schüler*innen die Melodie bei der Wahl ihres Lieblingssongs ausschlaggebend ist. 82 % der Schüler*innen, die einen Lieblingssong angeben, gefällt die Melodie dieses Liedes. Etwas geringer ist die Zufriedenheit mit Inhalt und Sprache. Nur der Hälfte der Befragten gefällt das Video ihres Lieblingssongs.

Wie wirken Gangsta-Rap-Songs auf dich?

Wie Gangsta-Rap auf die Schüler*innen wirkt oder wie sie zu ihm stehen, lässt sich zumindest ansatzweise anhand der Eigenschaften, die sie den Songs zuschreiben, nachvollziehen. „Brutal“ sind Gangsta-Rap-Songs für mehr als die Hälfte aller Befragten. Neben weiteren Eigenschaften mit negativer Bedeutung wie „gewaltverherrlichend“ und „frauenfeindlich“ halten die Schüler*innen Gangsta-Rap vor allem für „wortreich“ und „unterhaltsam“. Nur sehr wenige sind der Meinung, Gangsta-Rap sei „freundlich“, „harmlos“ oder „langweilig“.

Wie wirken Gangsta-Rap-Songs auf dich? – nach Schulart

Bezüglich der Eigenschaften „brutal“ und „frauenfeindlich“ ist die Zustimmungsrate der Schüler*innen weder von der Schulart abhängig noch davon, ob die Schüler*innen Rap-Anhänger*innen sind oder gar keine Rap-Songs hören. Signifikant abhängig von der Schulart sind vor allem die Eigenschaften „ernsthaft“, „dumm“, „ordinär“ und „interessant“. Für eine „ernsthafte“ Angelegenheit halten insbesondere die Werkrealschüler*innen den Gangsta-Rap, während ihn die Gymnasiast*innen in großer Anzahl für „dumm“ und „ordinär“ halten. „Interessant“ erscheint er für viele Real- und Werkrealschüler*innen, dagegen nur für wenige Gymnasiast*innen.

Wie wirken Gangsta-Rap-Songs? – nach Affinität

Wesentlich mehr Einfluss auf die Antworten als die Schulart hat das Maß an Affinität der Schüler*innen zum Gangsta-Rap. Schüler*innen, denen Gangsta-Rap gut oder sehr gut beziehungsweise nicht gefällt (Frage 3), unterscheiden sich deutlich in ihren Einschätzungen bezüglich der Eigenschaften „dumm“, „lächerlich“, „unterhaltsam“, „unverständlich“ und „interessant“. Rap-Anhänger*innen finden Gangsta-Rap-Songs überwiegend „unterhaltsam“ und „interessant“, während Schüler*innen, denen das Genre nicht gefällt, sie vor allem für „dumm“, „lächerlich“ und „unverständlich“ halten. „Wortreich“ und „vielfältig“, Eigenschaften, die literatur-didaktisch gesehen eine Rolle spielen, werden vornehmlich von Rap-Anhänger*innen genannt. Relativ unabhängig vom Grad der Affinität der Schüler*innen sind dagegen die Eigenschaften „gemein“, „frauenfeindlich“, „gewaltverherrlichend“ und „freundlich“.

Gangsta-Rap als Schulstoff nach Geschlecht

Etwa die Hälfte der Befragten tauscht sich mit Freunden und Bekannten über ihre Erfahrungen mit Gangsta-Rap aus. Bezogen auf die Schüler*innen, denen Gangsta-Rap gut oder sehr gut gefällt, erhöht sich der Anteil derer, die über die Songs sprechen, auf 80 %.

Vergleichbare Resultate ergibt die Frage, ob Gangsta-Rap in der Schule behandelt werden sollte. Etwa die Hälfte der Befragten sind dafür, Rap-Songs in der Schule durchzunehmen. Bezogen auf die Schüler*innen mit hoher Affinität zum Gangsta-Rap stimmen sogar 80 % dafür.
Immerhin ein Drittel der weiblichen Jugendlichen sprecht sich ausdrücklich dafür aus, Rap-Songs in den Unterricht zu nehmen, während es mehr als die Hälfte der Schülerinnen ablehnen. Bei den männlichen Jugendlichen ist dies genau umgekehrt.

Fazit

In den Angaben der Schüler*innen, die zu ihren Rezeptionsgewohnheiten befragt wurden, zeigt sich sowohl die gesamte Vielfalt der Szene als auch die große Beliebtheit weniger Gangsta-Rapper*innen. Hervorzuheben ist, dass die Präferenzen der Schüler*innen sowie ihre Hörgewohnheiten signifikant von ihrer Schulprovenienz abhängen. Während Werkrealschüler*innen tendenziell „authentische“ Gangsta-Rapper*innen bevorzugen, sind „ironischer“ Gangsta-Rap und andere Spielarten des Rap schwerpunktmäßig bei Schüler*innen anderer Schularten beliebt.

Diese Verschiedenheit zeigt sich auch in der Einschätzung der Jugendlichen hinsichtlich der Gleichartigkeit oder Ähnlichkeit von Rap und Lyrik. Werkrealschüler*innen neigen eher dazu, die Genres Rap und Lyrik klar voneinander abzugrenzen als Schüler*innen anderer Schularten. Sie sehen in einem Rap-Song in geringerem Maße die Parallelen zum Gedicht sowie die Bedeutung des Textes und achten weniger auf sprachliche Besonderheiten. Außerdem zeigen sie geringere Motivation, einen Rap-Text sprachlich zu untersuchen.

Die Vielfalt, die sich in den Rezeptionsmöglichkeiten des Rap findet, wird von den meisten Jugendlichen vermutlich aufgrund fehlender Kompetenzen nicht vollends ausgeschöpft. Dies und das große Interesse der Schüler*innen am Rap können als Chance für den schulischen Umgang mit Rap-Songs gesehen werden. Die Multimedialität der Rap-Songs und insbesondere die Nähe zu lyrischen Texten eröffnen mannigfache Wege zur Erschließung dieser Kunstwerke.

Wenn jedoch Lehrkräfte das Thema Rap aufgreifen, Erwachsene also in einen Bereich eindringen, der bislang Jugendlichen vorbehalten ist, muss Sorgfalt walten. Den Wünschen der Jugendlichen muss Rechnung getragen werden. Andernfalls kann die Motivation der Schüler*innen, ihr Interesse am Gegenstand, in Ablehnung und Verweigerung umschlagen.

Mummendey, Hans Dieter & Grau, Ina: Die Fragebogen-Methode. Göttingen 2014

Eine Studie von

Markus Sator veröffentlichte 2016 eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema Gangsta-Rap – eine Studie zur Rezeption von Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I. Als Autor entwickelt er Beiträge und Lehrmaterial für Medienradar.

[Bild: privat]
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