Zahlen / Fakten

Wahrnehmung von Hassrede im Netz

Ein Alltagsbegleiter in der Mediennutzung Heranwachsender?

Lena Wandner

Forsa-Studie im Auftrag der LfM 2020 & JIM-Studie 2019 – Zusammenfassung der Ergebnisse, Medienradar, 08/2020

Die Wahrnehmung von Hatespeech im Netz hat sich den letzten Jahren zu einem wichtigen Forschungsfeld entwickelt, wobei insbesondere auch die Perspektive Heranwachsender untersucht wird. Wie oft begegnen Jugendliche Hatespeech im Netz und wie reagieren sie auf Hasskommentare und Hetze?

Negativinhalte gehören für Jugendliche zum Netzalltag

Kinder und Jugendliche kommen heutzutage immer früher mit dem Internet in Berührung, wobei das Smartphone der häufigste Zugangsweg zum World Wide Web ist (vgl. mpfs 2020). Laut der JIM-Studie 2019 (Jugend, Information, Medien) besitzen 93 % der 12- bis 19-Jährigen in Deutschland ein Smartphone (ebd., S. 7). Das Smartphone ist ein multimedialer Alleskönner. Es bietet die Möglichkeit, zu jeder Zeit ortsunabhängig online zu sein und in Echtzeit zu kommunizieren.

Die zwischenmenschliche Kommunikation verschiebt sich folglich immer mehr ins Digitale. Dies geht mit vielen Vorteilen einher, birgt jedoch auch (neue) Risiken und problematische Aspekte. So verdeutlichen die Ergebnisse der JIM-Studie 2019, dass über jeden fünften Jugendlichen schon einmal beleidigende und/oder falsche Aussagen über das Smartphone verbreitet wurden (ebd., S. 49). Cybermobbing ist somit für Jugendliche ein bekanntes und präsentes Netzthema. Doch auch Hass und Hetze werden von Heranwachsenden im Internet verstärkt wahrgenommen. 66 % der befragten Jugendlichen bestätigten, schon ein- oder mehrmals Hassbotschaften im Netz begegnet zu sein (ebd., S. 51).

Zudem zeigte sich, dass mehr als die Hälfte der jungen Nutzer*innen bereits mit extremistischen Inhalten und Fake News in Kontakt gekommen ist (ebd.). Die Autor*innen der JIM-Studie kommen zu einem ernüchternden Ergebnis: Die Konfrontation mit Negativinhalten im Internet ist für einen Großteil der Jugendlichen Alltag.

Jugendliche nehmen besonders viel Hatespeech im Netz wahr

Schon seit mehreren Jahren untersucht das Sozialforschungsinstitut Forsa im Auftrag der Landesanstalt für Medien (NRW), wie Internetnutzer*innen Hatespeech im Netz wahrnehmen. Die aktuellen Ergebnisse verdeutlichen eine kontinuierliche Entwicklung: Insbesondere Nutzer*innen unter 25 Jahren nehmen Hass, konkret Hasskommentare, im Netz regelmäßig wahr. Insgesamt ist dies wohl keine überraschende Tatsache. Soziale Netzwerke sind ein wichtiger Teil der (digitalen) Lebenswelt Heranwachsender. Snapchat, Instagram und YouTube werden von Jugendlichen regelmäßig zur Vernetzung, Unterhaltung, aber auch für die eigene Selbstdarstellung genutzt. Da sich Hatespeech insbesondere in sozialen Netzwerken verbreitet, ist die Wahrscheinlichkeit entsprechend hoch, dass Jüngere auf Hasskommentare stoßen und ggf. selbst zur Zielscheibe werden.

Deutlich wird, dass jüngere Nutzer*innen Hass im Internet nicht nur häufiger wahrnehmen, sondern im Gegensatz zu anderen Altersgruppen auch deutlich häufiger angeben, sich schon einmal mit einem Hasskommentar näher beschäftigt bzw. diesen bei einem Portal gemeldet zu haben. Dabei zeigt sich im Fünfjahresvergleich, dass der Anteil der unter 25-Jährigen, die einen Hasskommentar bzw. dessen Verfasser*in bereits bei einem zuständigen Portal gemeldet haben, deutlich angestiegen ist. Während im Jahr 2016 nur 34 % der befragten Jugendlichen angaben, Hasskommentare bei den jeweiligen Portalbetreibenden zu melden, liegt dieser Wert im Jahr 2020 bei 67 % (LfM 2020, S. 8).

Dennoch machen die aktuellen Studienergebnisse deutlich, dass immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene die Beschäftigung mit Hasskommentaren als Zeitverschwendung und als uninteressant erachten (ebd., S. 16).

Einer Normalisierung von Hass und Hetze im Netz muss entgegengewirkt werden

Um einer Normalisierung von Hass und Hetze im Netz konsequent und langfristig entgegenwirken zu können, sind vor allem präventive Maßnahmen gefragt. Kinder und Jugendliche müssen dafür sensibilisiert werden, dass Hatespeech eine Form verbaler Gewalt darstellt, die einzelne Personen und ganze Gruppen bewusst abwertet, diskriminiert und einschüchtert. Häufig tarnt sich Hate speech als vermeintlicher Humor oder Sarkasmus; die Kernaussagen bleiben jedoch gleichermaßen diskriminierend. Heranwachsende sollten folglich auch darüber aufgeklärt werden, wo die Unterschiede zwischen einer freien Meinungsäußerung, Satire, konstruktiver Kritik und einer bewussten sprachlichen Abwertung in Form von Hatespeech liegen. Es gilt also: das Sensibilisieren ist der erste Schritt, um eine kritische Reflexion zum Thema anzuregen.

Jugendliche sollten darüber hinaus zu einem kompetenten Umgang mit Hatespeech befähigt werden. Dabei geht es nicht nur darum, ihnen Melde- und Sanktionsmöglichkeiten aufzuzeigen, sondern sie auch für das Thema Gegenrede (Counterspeech) zu sensibilisieren und ihnen diesbezügliche Handlungsempfehlungen mitzugeben. Der Schule kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Hier erlernen Heranwachsende eine sachliche und respektvolle Debatten- und Feedbackkultur. Dabei gilt es, verstärkt auch digitale Kommunikationsphänomene und -risiken wie Hatespeech zu thematisieren und entsprechende Kommunikationsstrategien auszuhandeln und zu erproben.

Zur JIM-Studie

Die JIM-Studie ist eine Basisuntersuchung zum Medienumgang der 12- bis 19-Jährigen in Deutschland. Sie dokumentiert das Mediennutzungsverhalten junger Menschen und bildet diesbezüglich kontinuierliche Entwicklungen und Trends ab. Die Studie wird seit 1998 jährlich durchgeführt. Die aktuelle JIM-Studie 2019 untersuchte aus gegebenem Anlass insbesondere die Konfrontation mit Hassbotschaften und Desinformation. Hierfür wurden im August 2019 bundesweit 1.200 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren telefonisch befragt.

Zur Forsa-Studie

Im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW untersucht das Forschungsinstitut Forsa schon seit mehreren Jahren die Wahrnehmung von Hasskommentaren im Internet. Im Rahmen der aktuellen Untersuchung wurden 1.010 Menschen ab 14 Jahren online befragt.

Literatur:

1. MPFS- Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2020). JIM-Studie 2019. Jugend, Information, (Multi-)Media. Medienumgang 12- bis 19-Jähriger, abrufbar unter: www.mpfs.de/studien/jim-studie/2019/.

2. Landesanstalt für Medien NRW (LfM) (2020): Hate Speech. Zentrale Untersuchungsergebnisse der aktuellen forsa-Studie 2020, abrufbar unter: www.medienanstalt-nrw.de/fileadmin/user_upload/NeueWebsite_0120/Themen/Hass/ forsa_LFMNRW_Hassrede2020_Praesentation.pdf.

Autorin

Lena Wandner studierte Kinder- und Jugendmedien an der Universität Erfurt. Ihre Arbeits- und Interessenschwerpunkte liegen in der Medienwirkungsforschung und dem Bereich des Jugendmedienschutzes. 2020 unterstützte sie die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (FSF) in redaktionellen Tätigkeiten als Autorin für den fsf blog sowie den Medienradar. Seit 2021 ist sie in der Jugendschutzabteilung der ProSiebenSat.1 Group tätig.

[Bild: Privat]
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