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Die Vergangenheit erspielen

Wie Computerspiele historische Themen vermitteln

Achim Fehrenbach

in: mediendiskurs online vom 18.04.2023

Computerspiele sind mehr als reine Unterhaltung, sie eignen sich auch hervorragend für den Wissenstransfer. Spannende Handlungen und individuelle Entscheidungsmöglichkeiten machen Spiele wie Discovery Tour, Pentiment und Through the Darkest of Times interessant für den Deutsch- und Geschichtsunterricht in der Schule. Immer häufiger kommen sie dort zum Einsatz.

„Computerspiele lassen uns einige Schritte in den Schuhen anderer Leute gehen“, sagt Lisa König, Forscherin und Dozentin am Zentrum für didaktische Computerspielforschung (ZfdC) der PH Freiburg. „Als interaktive Medien helfen sie in der Schule dabei, historische Perspektiven einzunehmen.“ Sperrige und vermeintlich trockene Geschichtsthemen ließen sich mit Computerspielen zum Leben erwecken, sagt König. „Die unterhaltsame Aufbereitung motiviert Schüler:innen, sich intensiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen.“

Das ZfdC bietet Begleitmaterialien und Workshops an, um den Einsatz von Games im Unterricht zu erleichtern. Zum Angebot des Forschungszentrums gehört auch eine Datenbank mit Spieleempfehlungen – und eine Videoreihe auf Youtube, die Games und ihre didaktischen Möglichkeiten beleuchtet. Drei lohnende Geschichtsspiele empfehlen wir hier:

Discovery Tour

Die Computerspielreihe Assassin’s Creed ist für ihre historischen Schauplätze bekannt, sie reichen von der Antike über die Renaissance bis ins Viktorianische Zeitalter. Allerdings ist Assassin’s Creed – der Name lässt es schon erahnen – auch ziemlich gewalttätig. Beim Entwickler Ubisoft kam man jedoch auf die glorreiche Idee, die Schauplätze von der martialischen Action zu entkoppeln: In der Reihe Discovery Tour können Spieler:innen nun ohne Kämpfe verschiedene Geschichtsepochen erkunden – und dabei eine Menge über Lebensbedingungen, Politik und Kultur der jeweiligen Zeit lernen.

Bis jetzt sind in der Discovery Tour drei eigenständige Lernspiele erschienen, nämlich Altes ÄgyptenAntikes Griechenland und Das Zeitalter der Wikinger. Im antiken Griechenland beispielsweise schlendert man über die Akropolis, besucht prachtvolle Tempel, unterhält sich mit Philosoph:innen und bewundert die verschiedenen Stadien des Töpferhandwerks – um anschließend in kleinen Quizzes sein neues Wissen zu prüfen. Der neueste Teil der Tour, Das Zeitalter der Wikinger, bietet sogar einen durchgehenden Handlungsstrang. Für alle drei Touren hat Ubisoft Begleitmaterialien erstellt, die sich gut für den Geschichtsunterricht eignen.

Ubisoft Montreal, 2021. Für PC, Konsolen, Amazon Luna. Keine Altersbeschränkung.
Zur Webseite: https://www.ubisoft.com/de-de/game/assassins-creed/discovery-tour
Weitere Spiele zur Antike: Expeditions – RomeTotal War Saga: TroyAge of Empires IVOld World

Pentiment

Schauplatz von Pentiment ist Tassing, ein fiktives Städtchen im mittelalterlichen Süddeutschland des Jahres 1518. Der Protagonist – er trägt den passenden Namen Andreas Maler – arbeitet als Illustrator und Illuminator im örtlichen Kloster. Eines Tages lernt er Baron Lorenz Rothvogel kennen, der die Abtei besucht. Die beiden kommen ins Gespräch und freunden sich an – kurz darauf wird der Baron tot aufgefunden.

Andreas Maler versucht, dem Mörder auf die Schliche zu kommen – und deckt dabei so manche Intrige auf. Pentiment ist atmosphärisch und grafisch ein außergewöhnliches Spiel: Die Handlung wird komplett in animierten, mittelalterlich anmutenden Zeichnungen und Schriftstücken erzählt. Der Titel des Spiels kommt vom italienischen Begriff „pentimenti“, zu Deutsch „Reuestriche“, der Veränderungen im künstlerischen Schaffensprozess bezeichnet. Für den Geschichtsunterricht eignet sich das Spiel aus mehreren Gründen: Es bildet die Strukturen mittelalterlicher Gesellschaften ab, vermittelt wichtige Begriffe und führt ein in mittelalterliche Buchmalerei und Buchdruck. Die spannende Handlung verändert sich mit den Entscheidungen der Spieler: innen – das macht Pentiment auch für den Deutschunterricht interessant.

Obsidian Entertainment, 2021. Für PC, Konsolen, Amazon Luna. USK-Altersfreigabe: 12 Jahre.
Zur Webseite: https://pentiment.obsidian.net/
Weitere Spiele zum Mittelalter: Crusader Kings IIIEuropa UniversalisMartin Luther auf der SpurValheim

Through the Darkest of Times

Die Handlung von Through the Darkest of Times beginnt im Jahr 1933: Hitler wird in Berlin zum Reichskanzler ernannt, die Massen jubeln ihm zu, es kommt zu Ausschreitungen gegen Minderheiten. Zugleich formieren sich aber auch Widerstandsgruppen, die dem wachsenden Einfluss der Nationalsozialisten nicht tatenlos zusehen wollen. Die Widerständler werben neue Unterstützer an, sammeln Spenden, verbreiten Flugblätter und sabotieren Regierungseinrichtungen – und schweben dabei in ständiger Gefahr, verhaftet, verhört und ermordet zu werden.

Through the Darkest of Times ist ein beeindruckendes Porträt des Widerstands. Spieler:innen müssen entscheiden, wie sie ihre knappen Ressourcen – Personal, Geld, Hilfsmittel wie Fahrräder und Flugblätter – möglichst wirkungsvoll einsetzen, und wie sie die Moral der Untergrundkämpfer:innen aufrechterhalten. Zwischensequenzen erzählen von Ereignissen wie dem Reichstagsbrand, den Bücherverbrennungen und den Olympischen Spielen. Im Geschichtsunterricht kann das Game als Grundlage für eine Diskussion über die Rolle der Zivilgesellschaft in der Nazizeit dienen. Die vier Kapitel (1933, 1936, 1941, 1945) lassen sich in jeweils rund 90 Minuten durchspielen.

Paintbucket Games, 2020. Für PC, Konsolen, Smartphones und Tablets. USK-Altersfreigabe: 12 Jahre.
Zur Webseite: https://paintbucket.de/en/game/through-the-darkest-of-times
Weitere Spiele zur Nazizeit: Svoboda 1945: LiberationAttentat 1942My Memory of UsWarsawBrukelAnne Frank House VRForced AbroadMy Child LebensbornSpuren auf PapierTrain to Sachsenhausen

Weitere Spiele mit historischem Hintergrund: 

Dieser Text erschien am 11.04.2023 zuerst im TAGESSPIEGEL.
 

Autor

Achim Fehrenbach lebt und arbeitet als freier Journalist in Berlin. Er schreibt vor allem über Digital- und Schulthemen.

[Bild: privat]