Der Holocaust in den Medien: Perspektiven eröffnen
Persönliche Erfahrungen nachvollziehen und Empathie fördern
Medienradar
Medien sind zentrale Träger von Erinnerungskultur – ihre ästhetischen Formen, Erzählweisen und Zugänge bieten vielfältige Möglichkeiten, sich mit dem Holocaust und den Verbrechen des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen, historisches Wissen zu vertiefen, Empathie zu entwickeln und Geschichte wie Gegenwart kritisch zu hinterfragen.
Die Medienbeispiele dieser Playlist eröffnen emotionale, subjektive und biografische Perspektiven auf den Holocaust. Sie ermöglichen es, persönliche Erfahrungen von Verfolgung, Verlust und Überleben nachzuvollziehen, Identifikation und Mitgefühl zu fördern sowie Fragen nach Verantwortung, Moral und Erinnerung im familiären wie gesellschaftlichen Kontext zu reflektieren. Dabei zeigen sie, wie durch künstlerische Gestaltung, autobiografisches Erzählen oder experimentelle Zugänge individuelle Zeugnisse und kollektive Erfahrungen eindrucksvoll vermittelt werden können.
Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust ist nicht allein eine Frage der Wissensvermittlung, sondern erfordert auch eine emotionale und empathische Annäherung an die Erfahrungen der Betroffenen. Wie fühlte sich Verfolgung an? Welche Entscheidungen mussten Menschen unter extremen Bedingungen treffen? Und wie wirkt das Erlebte bis heute in Familien und Gesellschaften fort?
Die Medienbeispiele dieser Playlist ermöglichen individuelle Zugänge zur Geschichte des Holocaust – sei es durch persönliche Erzählungen, künstlerische Annäherungen oder reflektierende Familiengeschichten. Sie eröffnen Perspektiven auf Opfer- und Überlebensgeschichten, auf verdrängte Täterschaften und neue Formen des Erinnerns. In fiktionalen und dokumentarischen Filmen, animierten Formen und Social-Media-Projekten regen sie dazu an, sich mit den emotionalen und moralischen Dimensionen der nationalsozialistischen Verbrechen auseinanderzusetzen.

[Bild: picture-alliance/dpa/ANSA Cecchi Gori]
Filmstill aus dem Spielfilm Das Leben ist schön, I (1997)
Aus pädagogischer Sicht eignen sich diese Medien besonders, um Empathie zu fördern, persönliche Identifikation zu ermöglichen und den Holocaust nicht nur als historische Tatsache, sondern auch als individuelle Erfahrung begreifbar zu machen. Dabei erweitern sie das Spektrum der Erinnerungskultur um persönliche, familiäre und künstlerische Stimmen, die neue Denk- und Gesprächsräume öffnen – auch für eine kritische Reflexion des heutigen Umgangs mit Erinnerung.
Diese Playlist bildet somit eine fundierte Grundlage für weiterführende Zugänge – etwa zur Kontextualisierung filmisch vermittelten historischen Wissens, zur Reflexion über heutige Formen des Erinnerns oder zur individuellen Auseinandersetzung mit Geschichte im digitalen Raum.
Spielfilm von Wolfgang Staudte
Der Spielfilm Die Mörder sind unter uns (1946) von Wolfgang Staudte gilt als der erste deutsche Nachkriegsfilm und spielt im zerstörten Berlin des Jahres 1945. Im Mittelpunkt steht die moralische Auseinandersetzung eines traumatisierten Chirurgen mit einem ehemaligen Wehrmachtskameraden, der unbehelligt in die Nachkriegsgesellschaft integriert ist. Der Film thematisiert Fragen individueller Schuld, Verdrängung und Verantwortung. Die Mörder sind unter uns eignet sich besonders, um im Unterricht frühe Formen filmischer Erinnerungskultur und den Umgang mit Täterbiografien in der unmittelbaren Nachkriegszeit zu analysieren.
[Video: Release Company; YouTube]
Trailer zum Spielfilm Die Mörder sind unter uns (D 1946)
Staudte inszeniert ein Berlin in Trümmern, das nicht nur äußerlich, sondern auch moralisch zerstört ist. Die Hauptfigur, Dr. Mertens, ist an der Front zerbrochen und findet durch die Konfrontation mit der Vergangenheit seines Kameraden einen Weg zur ethischen Neuorientierung. Der Film entwirft ein Bild einer Gesellschaft im Zwiespalt: zwischen dem Wunsch nach Neuanfang und der Notwendigkeit, sich mit den Verbrechen der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Mit seinem „Trümmerfilm“ stellt Staudte die Frage nach individueller Schuld und Kollektivverantwortung im „Dritten Reich“. Früh spricht er damit Themen an, die in der deutschen Nachkriegsgesellschaft ansonsten lange tabuisiert wurden.
Die Mörder sind unter uns kann im Unterricht zur Analyse filmischer Gestaltungsmittel im historischen Kontext genutzt werden: etwa durch die Diskussion über das Trümmerfilm-Genre, über die visuelle Symbolik (z. B. Spiegelmotive, Licht/Schatten) und über die narrative Struktur des Films. Thematisch lassen sich Schuld und Verdrängung ebenso erarbeiten wie frühe Entnazifizierungsbemühungen. Die ästhetische und inhaltliche Verarbeitung der NS-Vergangenheit durch deutsche Filmschaffende kann hier kritisch hinterfragt werden.
Kinofenster.de bietet ergänzendes Material zur Kontextualisierung des Films im historischen und filmgeschichtlichen Zusammenhang.
TV-Miniserie von Marvin J. Chomsky
Die vierteilige US-amerikanische Miniserie Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss von Marvin J. Chomsky markierte einen Wendepunkt in der medialen Auseinandersetzung mit der Shoah: Zum ersten Mal wurde die Geschichte einer jüdischen Familie in der Zeit des Nationalsozialismus einem breiten Fernsehpublikum in Deutschland erzählt. Der fiktionale Zugang ermöglichte emotionale Identifikation und öffnete den Diskurs über Erinnerung und Schuld. Die Serie eignet sich besonders für den Unterricht, um über die Bedeutung von Medienereignissen für das kollektive Gedächtnis und die Wirkung fiktionaler Geschichtserzählung zu diskutieren.
[Video: phoenix]
TV-Miniserie Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss (US 1978)von Marvin J. Chomsky, Erstaustrahlung in Deutschland im WDR (1979)
Ausschnitt aus Teil 1: Die hereinbrechende Dunkelheit (1935-1940)
Die Serie schildert das Schicksal der jüdischen Familie Weiss und ihres Umfelds im Zeitraum von 1935 bis 1945. Parallel wird der Aufstieg des SS-Offiziers Erik Dorf gezeigt, der sich vom Juristen zum aktiven Vollstrecker der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik wandelt. Diese kontrastierende Darstellung von Opfer- und Täterbiografien erzeugt eine emotionale und moralische Spannung. Die deutsche Ausstrahlung 1979 löste eine breite gesellschaftliche Debatte aus – nicht zuletzt, weil viele Zuschauer*innen zum ersten Mal mit dem Ausmaß der Verbrechen konfrontiert wurden.
Im Unterricht lässt sich die Serie nutzen, um die Mechanismen der Identifikation und Emotionalisierung durch fiktionale Erzählung zu reflektieren. Diskutiert werden kann die Rolle von Fernsehen als kollektiver Erinnerungsraum, ebenso wie die Grenzen und Potenziale von fiktionalisierter Geschichtsdarstellung.
Die Serie ist in Teilen über phoenix oder Mediatheken zugänglich. Eine fundierte Einordnung der Serie hinsichtlich ihrer Bedeutung für die hiesige Erinnerungskultur bietet Sandra Schulz in ihrem Beitrag Film und Fernsehen als Medien der gesellschaftlichen Vergegenwärtigung des Holocaust (2023).
Hilfreiche Ergänzung: Endlösung, DE (1979)TV-Dokumentation des WDR
Die WDR-Dokumentation Endlösung (1979) wurde als begleitende Aufarbeitung zur US-Serie Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss ausgestrahlt. Der Film verbindet historisches Bildmaterial mit Aussagen von Überlebenden und ordnet die Ereignisse der fiktionalen Serie in einen dokumentarisch-historischen Kontext ein. Die Dokumentation eignet sich im Unterricht besonders zur Analyse von Zeitzeugenberichten und zur kritischen Gegenüberstellung von Fiktion und Dokumentation im Umgang mit der Geschichte der Shoah.
[Video: WDR; Bundeszentrale für politische Bildung]
Auschnitt aus der WDR-Dokumentation Endlösung (1979), gesendet als dokumentarische Ergänzung zur amerikanischen Fernsehserie Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss.
Die Dokumentation Endlösung beginnt mit einer Szene aus Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss: Eine Abteilung der SS bringt alle männlichen Juden eines polnischen Dorfes gewaltsam in die Synagoge und brennt diese nieder. Im Anschluss spricht der Zeitzeuge Klaus Scheurenberg über die Systematik der Auslöschung der Juden im Nationalsozialismus. Die Aussage wird im Fortgang der Dokumentation in zeitchronologischen Abschnitten mit vielen Details der Entwicklung der Judenverfolgung und Vernichtung belegt. Der hier gesehene Ausschnitt beschäftigt sich mit der Zeit von 1938-1941. Er zeigt die gezielte wirtschaftliche Vernichtung der Juden durch Berufsverbote und Passkennzeichnungen, die Judenpogrome in der Reichskristallnacht, Verhaftungen, Auswanderungsbestrebungen jüdischer Familien sowie Ausbürgerungen, Zwangsregistrierungen, Gewaltausschreitungen der SS, erste Ghettoisierungen und Deportationen.
Die wechselwirkende filmpädagogische Betrachtung von Serie und ergänzender Dokumentation eignet sich im Unterricht besonders zur kritischen Gegenüberstellung von Fiktion und Dokumentation im Umgang mit der Geschichte der Shoah und trägt so zur Förderung historischer Urteilskompetenz bei.
Die komplette Dokumentation Endlösung ist auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb.de) abrufbar.
Auf Wiedersehen, Kinder (1987) basiert auf autobiografischen Erlebnissen des Regisseurs Louis Malle und erzählt die Geschichte einer Kindheit im besetzten Frankreich, in der Freundschaft, Verrat und Schuld eine tragische Verbindung eingehen. Der Film vermittelt eindrucksvoll, wie politische Gewalt und antisemitische Verfolgung in den Schulalltag eindringen. Besonders geeignet ist der Film für den Unterricht zur Auseinandersetzung mit moralischen Entscheidungen, Mitgefühl und Zivilcourage im Kontext des Holocaust.
[Video: TrailerTracker; YouTube]
Offizieller Trailer zu Louis Malles Spielfilm Auf Wiedersehen Kinder (FR 1987)
Im Zentrum steht die Freundschaft zwischen dem zwölfjährigen Julien und seinem neuen Mitschüler Jean, einem jüdischen Jungen, der unter falschem Namen im katholischen Internat versteckt wird. Die ruhige, fast idyllische Internatswelt wird nach und nach durch Spannungen erschüttert, bis Verrat zur Deportation führt. Malle gelingt ein feinfühliges Porträt einer verlorenen Kindheit, das auf der emotionalen Ebene tiefe Wirkung entfaltet – nicht durch Schockbilder, sondern durch stille Gesten und kleine Momente.
Medienpädagogisch bietet der Film zahlreiche Anknüpfungspunkte: etwa zur Analyse kindlicher Perspektiven auf Gewalt, zur Reflexion über kollektives Schweigen und individuelle Handlungsmöglichkeiten oder zur Diskussion über Erinnerung und autobiografisches Erzählen. Auch die Ästhetik des Films – seine zurückhaltende Inszenierung, der Kontrast zwischen Alltag und Gewalt – kann im Unterricht thematisiert werden.
Eine Filmbesprechung sowie Arbeitsmaterialien zu Auf Wiedersehen, Kinder finden sich auf dem Filmbildungsportal kinofenster.de.
Spielfilm von Steven Spielberg
Steven Spielbergs Spielfilm Schindlers Liste (1993) gilt als Meilenstein der internationalen Erinnerungskultur und zeigt am Beispiel von Oskar Schindler, wie ambivalente historische Figuren zwischen Mitläufertum, Eigennutz und Menschlichkeit agierten. Der Film verbindet erschütternde Darstellungen der Shoah mit der Geschichte einer Rettungstat. Für den Unterricht eignet sich der Film besonders zur Diskussion von Handlungsspielräumen, Erinnerungspolitik und filmischer Repräsentation des Holocaust.
[Video: Universal Pictures Germany; YouTube]
Ofizieller Trailer zum Spielfilm Schindlers Liste (USA 1993)
Die Handlung basiert auf wahren Begebenheiten: Der deutsche Unternehmer Schindler, zunächst NSDAP-Mitglied und Kriegsprofiteur, rettet durch seine Fabrik über 1.000 jüdische Zwangsarbeiter*innen vor der Deportation und Ermordung. Der Film knüpft zwar an das Bild des Nationalsozialismus an, das durch vorherige Spielfilme konstruiert worden war, spitzt es aber zu. „So erschien der Nationalsozialismus erneut als eine Korruptionsgesellschaft, jedoch war die moralische Willkür und menschenverachtende Bürokratie deutlich regelloser. Ebenso präsentierte der Film die bekannte Figur des deutschen Retters, brach sie aber leicht, indem er einen Glücksritter in den Mittelpunkt stellte, der sich zunächst ebenfalls an den Juden bereicherte.“ (Bösch 2023). Der Film verzichtet nicht auf die Darstellung extremer Gewalt, zeigt aber zugleich menschliche Solidarität und Wandel.
Im pädagogischen Kontext eignet sich Schindlers Liste zur Auseinandersetzung mit der moralischen Komplexität von Täter- und Retterfiguren, mit den Grenzen zwischen Fakt und Fiktion sowie mit den Wirkungen emotionalisierender filmischer Mittel. Die Ikonografie des Films – etwa die Kameraarbeit, Lichtgestaltung oder Symbolik – kann dabei ebenso diskutiert werden wie die internationale Rezeption des Werks.
VISION KINO bietet ein Unterrichtsmaterial zu Schindlers Liste an.
Spielfilm von Roberto Benigni
Der italienische Film Das Leben ist schön (1997) ist ein tragikomischer Spielfilm über einen jüdischen Vater, der seinen kleinen Sohn während der Internierung im Konzentrationslager durch eine „Spielrealität“ vor dem Grauen der Shoah schützt. Der vielfach ausgezeichnete Film nutzt bewusst komödiantische und märchenhafte Mittel, um Würde und Menschlichkeit unter extremen Bedingungen zu zeigen. Für den Unterricht bietet der Film Anlass zur Diskussion über künstlerische Repräsentationsformen, Humor als Überlebensstrategie und Grenzbereiche der Erinnerungskultur.
[Video: Scotia Deutschland; Buena Vista International]
Offizieler Trailer zum Spielfilm Das Leben ist schön (I 1997)
Das Leben ist schön zeigt, wie künstlerische Mittel wie Humor und Fantasie in der medialen Auseinandersetzung mit dem Holocaust verwendet werden können, um emotionale Zugänge zu einem unvorstellbaren historischen Grauen zu schaffen. Der jüdische Buchhändler Guido lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Italien, als die Familie deportiert wird. Um seinen Sohn vor Angst und Verzweiflung zu bewahren, inszeniert Guido das Lagerleben als Spiel mit Punkten und Belohnungen. Der Film verknüpft zwei kontrastierende Hälften: zunächst eine romantische Komödie, dann ein KZ-Drama aus kindlicher Perspektive. Benignis Werk wurde international gefeiert – aber auch kontrovers diskutiert, insbesondere wegen der Gratwanderung zwischen emotionaler Wirkung und potenzieller Trivialisierung des Holocaust.
In der medienpädagogischen Arbeit kann Das Leben ist schön dazu genutzt werden, über Darstellungsgrenzen in der filmischen Erinnerungskultur zu sprechen. Der Film eignet sich zur Analyse filmischer Mittel wie Musik, Farbgebung und Narration sowie zur Diskussion über Perspektivenvielfalt und die Bedeutung emotionaler Zugänge. Dabei ist ein reflektierter Umgang mit der Frage notwendig, wie Humor im Kontext von Massenmord funktionieren kann – und ob er Grenzen überschreitet.
Weiterführende Materialien zur Einordnung finden sich auf kinofenster.de.
Dokumentarfilm von Malte Ludin
Malte Ludin setzt sich in seinem Dokumentarfilm 2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß (2005) mit der NS-Vergangenheit seines Vaters Hanns Ludin auseinander – einem hochrangigen Diplomaten im Dienst des „Dritten Reiches“. Der Film zeigt eindrucksvoll, wie Erinnerung innerhalb von Familien verhandelt wird – zwischen Verleugnung, Beschönigung und schmerzhafter Wahrheit. Für den Unterricht eignet sich der Film besonders zur Auseinandersetzung mit Täterbiografien, familiärem Erinnern und intergenerationaler Aufarbeitung.
[Video: Journeyman Pictures; YouTube; Svarc. Film, Absolut Medien]
Trailer zum Kino-Dokumentarfilm 2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß (AT 2005) von Malte Ludin
Hanns Ludin war als Gesandter Hitlers in der Slowakei direkt an der Umsetzung der sogenannten Endlösung beteiligt. In der Familie Ludin wurde seine Rolle jedoch lange idealisiert oder relativiert. Erst der Sohn Malte beginnt, die Dokumente auszuwerten, seine Geschwister zu interviewen – und sich dem Verdrängten zu stellen. Der Film dokumentiert diesen schmerzhaften Prozess, in dem familiäre Nähe und moralische Wahrheit in Konflikt geraten. Die Gesprächssituationen sind oft aufwühlend und zeigen die emotionale Komplexität innerfamiliärer Aufarbeitung.
Im Unterricht kann der Film genutzt werden, um über die Nachwirkungen des Nationalsozialismus in Nachkriegsgenerationen zu sprechen – über Schweigen, Mythenbildung und die Schwierigkeit, Täter in der eigenen Familie zu erkennen. Auch Fragen von Quellenarbeit, Oral History und subjektiver Erinnerung lassen sich anhand des Films behandeln. Der Film bietet so einen emotional zugänglichen, zugleich analytisch produktiven Zugang zu einem oft vernachlässigten Teil der Erinnerungskultur.
Der vollständige Film ist auf DVD (Absolut Medien) erhältlich. Auf der Webseite Lernen aus der Geschichte findet sich eine ergänzende filmpädagogische Auseinandersetzung.
Instagram-Story
Eva.Stories ist ein innovatives israelisches Social-Media-Projekt, das die Lebensgeschichte der 13-jährigen ungarischen Jüdin Eva Heyman auf Instagram erzählt – basierend auf ihren Tagebuchaufzeichnungen. In 70 kurzen Clips erleben Zuschauer*innen ihren Alltag, ihre Ängste und schließlich die Deportation nach Auschwitz in der Form einer filmisch inszenierten Story. Für den Unterricht eignet sich das Projekt besonders, um jüngere Generationen emotional anzusprechen, medienaffine Zugänge zum Holocaust zu eröffnen und individuelle Erfahrungen mit systematischer Gewalt erfahrbar zu machen.
[Video: Leo Burnett Israel ליאו ברנט ישראל; YouTube]
„Was, wenn ein Mädchen im Holocaust Instagram gehabt hätte?“ – Trailer zur Instagram Serie Eva.Stories; ISR (2019)
Veröffentlicht zum israelischen Holocaust-Gedenktag 2019, beginnt Eva.Stories in einer scheinbar heilen Welt: Eva lebt bei ihren Großeltern in Nagyvárad, geht zur Schule, träumt, liebt. Doch mit der deutschen Besetzung Ungarns im März 1944 verschärft sich die Situation dramatisch: Berufsverbote, Ghettoisierung, Schikanen – bis zur Deportation nach Auschwitz. Das Projekt visualisiert diesen Prozess aus Evas Sicht und bettet ihre Erlebnisse in eine visuelle Sprache ein, die an heutige soziale Medien angepasst ist: Selfie-Perspektiven, Hashtags, Text-Einblendungen, Musikuntermalung.
Die filmisch produzierte Instagram-Serie vereint dokumentarische Elemente mit Fiktionalität und nutzt das emotionale Potenzial der Plattform, um ein junges Publikum zu erreichen. Die Zuschauer*innen erleben die Geschichte aus einer Ich-Perspektive, die Identifikation ermöglicht. Trotz des ungewohnten Formats entfaltet die Serie eine große emotionale Intensität und stellt eindrucksvoll dar, wie schnell sich Lebensrealitäten unter totalitären Bedingungen verändern können.
Im Unterricht bietet Eva.Stories zahlreiche Ansatzpunkte: zur Reflexion über Opferperspektiven, zur Diskussion über neue Formen der Erinnerungskultur, zur Analyse von Authentizität und Wirkung in sozialen Medien sowie zur kritischen Auseinandersetzung mit medialer Emotionalisierung. Auch mögliche Einwände – etwa zur Trivialisierung oder zur Inszenierung von Leid – lassen sich thematisieren und fördern eine differenzierte Debatte.
Die Serie ist weiterhin über das Instagram-Profil @eva.stories abrufbar. Unterrichtsmaterialien und Hintergrundanalysen finden sich u. a. auf der Webseite des Friedrich-Verlags, bei Zeitgeschichte-online sowie auf derm Portal Lehrerinsel.
Animierte Kurzfilme mit Überlebenden der NS-Genozide
Das von der Organisation RomaTrial initiierte Kurzfilmprojekt bringt seit 2019 Überlebensgeschichten von Roma* und Sinti* mit künstlerischen Mitteln in animierter Form zur Darstellung. Die Filme basieren auf autobiografischen Erzählungen von Zeitzeug*innen und rücken marginalisierte Perspektiven in den Fokus der Erinnerungskultur. Für den Unterricht eignen sich diese Filme besonders zur Auseinandersetzung mit bislang wenig beachteten Opfergruppen und zur Analyse von Animation als Zugangsform zu historischen Traumata.
[Video: RomaTrial und Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas; YouTube]
... die bringen nur die Verbrecher Weg (D 2019), animierter Kurzfilm von Hamze Bytyçi
Beispielhaft steht … die bringen nur die Verbrecher weg für das Kurzfilmprojekt: Hamze Bytyci erzählt die Geschichte der 96-jährigen Zilli Schmidt, deren Familie nach Auschwitz deportiert wurde. Ihre Schilderungen vom Verlust ihrer Tochter und vom Überleben in den Lagern wurden in ein sensibles, visuell eindrucksvolles Animationsformat überführt. Die Kombination aus Interviewton, Bildcollage und Sounddesign eröffnet emotionale Zugänge zu einer oft vernachlässigten Dimension des Holocaust: der Vernichtung der Roma* und Sinti*.
Im Unterricht bietet dieser und weitere Filme des Kurzfilmporjekts einen niederschwelligen, zugleich eindringlichen Einstieg in das Thema. Sie regen zur Diskussion über Sichtbarkeit und Auslassung in der Erinnerungskultur an und eröffnen Perspektivenwechsel. Schülerinnen und Schüler können die Rolle von Animation für die Vermittlung von Gewaltgeschichte diskutieren, sich mit intersektionalen Aspekten der Verfolgung beschäftigen oder die Verbindung von Biografie und kollektiver Geschichte analysieren.
Die animierten Kurzfilme sind auf dem YouTube-Kanal von RomaTrial e.V. und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas zu finden. Außerdem stellt RomaTrial ergänzendes didaktisches Material zur Verfügung.
Der Dokumentarfilm Vernichtet - Eine Familiengeschichte aus dem Holocaust (2020) von Andreas Christoph Schmidt erzählt die Geschichte der jüdischen Familie Labe aus dem brandenburgischen Glambeck, die in der NS-Zeit verfolgt, deportiert und ermordet wurde. Die fragmentarisch aufgebaute Erzählung folgt den individuellen Schicksalen von Mutter und Kindern und zeichnet so ein eindrückliches Bild der Verfolgung aus der Perspektive einer ländlichen Familie. Für den Unterricht eignet sich der Film besonders zur Auseinandersetzung mit lokalen Verfolgungsgeschichten, zur Analyse dokumentarischer Erzählformen und zur Diskussion über Erinnerung nach dem Tod der Zeitzeug*innen.
[Video: ARD / Grimme-Preis-Verleihung 3sat]
Trailer zum Fernseh-Dokumentarfilm Vernichtet – Eine Familiengeschichte aus dem Holocaust (ARD 2020)
Die früh verwitwete Rosa Labe lebte mit ihren drei Kindern Paul, Dora und Theo in einem kleinen Ort in Brandenburg. In der Pogromnacht vom 9. November 1938 werden die Habseligkeiten der Familie öffentlich verbrannt – ein Akt der Ausgrenzung und Entmenschlichung durch Nachbarn. Der Film rekonstruiert ausgehend von diesem Ereignis die Wege, auf denen die vier Familienmitglieder über verschiedene Orte hinweg verfolgt und schließlich ermordet wurden. Durch präzise Recherchen, Archivmaterial und begründete Spekulationen entsteht eine dokumentarische Erzählung, die Leerstellen nicht verdeckt, sondern bewusst sichtbar macht.
Vernichtet arbeitet mit lakonischer Sprache und klarer Bildsprache, ohne emotionale Effekte zu forcieren. Die filmische Spurensuche stellt nicht das „große Ganze“ in den Mittelpunkt, sondern das Einzelschicksal – und damit eine Perspektive, die oft übersehen wird. Gleichzeitig macht der Film deutlich, dass Erinnerung auch dort möglich ist, wo keine Zeitzeug*innen mehr sprechen können: durch sorgfältige Rekonstruktion, kritisches Quellenstudium und die Einbindung lokaler Erinnerungsorte.
Im Unterricht lässt sich der Film als Ausgangspunkt für lokalhistorische Projekte nutzen, für Gespräche über ländlichen Antisemitismus, gesellschaftliche Teilhabe und Verdrängung. Schülerinnen und Schüler können das Zusammenspiel von Recherche, filmischer Gestaltung und ethischer Haltung analysieren und über die Bedeutung fragmentarischer Geschichtsrekonstruktion diskutieren. Auch Fragen nach dem Verhältnis von Fakten und Spekulation im dokumentarischen Erzählen können thematisiert werden.
Der Film wurde 2021 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, vertiefende Materialien bietet die Grimme-Preis-Dokumentation.
Der Animationsfilm Wo ist Anne Frank (2021) von Ari Folman aktualisiert die Geschichte von Anne Frank, indem er ihr Alter Ego Kitty zum Leben erweckt, das im heutigen Europa nach Anne sucht. Die künstlerische Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart rückt Fragen nach Relevanz, Symbolnutzung und aktuellem Mitgefühl ins Zentrum. Für den Unterricht bietet der Film vielseitige Anknüpfungspunkte zur Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur, Empathie und heutigen Formen der Flucht und Ausgrenzung.
[Video: falbfilmverleih; YouTube]
Trailer zum Animationsfilm Wo ist Anne Frank von Ari Folman (BE/FR/NL/LU/ISR 2021)
Kitty „erwacht“ im Anne-Frank-Haus zum Leben, findet sich im heutigen Amsterdam wieder und beginnt, Anne Frank zu suchen. Während ihrer Reise durch Europa begegnet sie nicht nur den Spuren von Annes Geschichte, sondern auch aktuellen Geflüchteten, deren Schicksale erschreckende Parallelen aufweisen. Dabei reflektiert der Film kritisch die museale Inszenierung Anne Franks und deren Symbolisierung – ohne ihre historische Bedeutung zu schmälern.
Die Animation macht das Thema für ein jüngeres Publikum zugänglich, ohne es zu verharmlosen. In dem Film wird kritisiert, wie Anne Frank heute oft als Symbol vereinnahmt wird, während ihre eigentliche Botschaft – Mitgefühl, Gerechtigkeit, Menschlichkeit – verloren geht.
Medienpädagogisch kann Wo ist Anne Frank genutzt werden, um über Formen medialer Erinnerung im 21. Jahrhundert zu sprechen, über den Umgang mit historischen Figuren im öffentlichen Raum und über interaktive, jugendgerechte Erzählweisen. Auch der Vergleich mit dem Originaltagebuch, mit der musealen Praxis und mit anderen Repräsentationen Anne Franks bietet sich an. Die Animation ermöglicht insbesondere jüngeren Lernenden einen behutsamen Zugang zur Thematik.
Der gesamte Film Wo ist Anne Frank ist in der Mediathek der ARD verfügbar. VISION KINO hat aufder ihrer Lernplattform filmisch. interaktive Lernbausteine zum Film bereitgestellt.
Christian Kitter ist gelernter Erzieher und studierte an der Freien Universität Berlin Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik. 1996 begann er seine Tätigkeit als Medienpädagoge bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen. Schwerpunkt seiner Arbeit waren Grundschulprojekte zur Vermittlung von Medienkompetenz im Unterricht. Als leitender Redakteur war er für die Entwicklung digitaler Materialien für den Einsatz in Schule und Jugendarbeit verantwortlich (Krieg in den Medien, Faszination Medien), die in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung entstanden.

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- Ein Interview über verschiedene Aspekte von Verschwörungstheorien
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Dirk Uhlig arbeitete bereits seit 2007 als freier Gestalter eng mit dem Medienpädagogik-Team der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) für die Entwicklung und Umsetzung der Projekte Krieg in den Medien und Faszination Medien zusammen. Seit 2017 gehört er zum festen Team der Medienpädagogik der FSF. Nebenbei ist er als freier Dokumentarfilmschaffender tätig.

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Viviane Winkler studiert Medienwissenschaft (M.A.) an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf und ist seit 2024 als Werkstudentin bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) tätig.

[Bild: privat]
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