Der Holocaust in den Medien: Erinnerung reflektieren
Medienkritik üben und Erinnerungskultur heute verstehen
Medienradar
Medien sind zentrale Träger von Erinnerungskultur – ihre ästhetischen Formen, Erzählweisen und Zugänge bieten vielfältige Möglichkeiten, sich mit dem Holocaust und den Verbrechen des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen, historisches Wissen zu vertiefen, Empathie zu entwickeln und Geschichte wie Gegenwart kritisch zu hinterfragen.
Die Medienbeispiele dieser Playlist eröffnen einen reflexiven Zugang zur medialen Erinnerung an den Holocaust: Sie machen deutlich, wie Darstellung und Deutung historischer Ereignisse in unterschiedlichen Medienformaten verhandelt werden, wie sich Erinnerungskulturen entwickeln und wie mediale Inszenierungen – ob dokumentarisch, fiktional, biografisch oder künstlerisch – selbst Teil historischer und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen werden. Dabei eröffnen sie kritische Perspektiven auf Narrative, Deutungsmuster und mediale Wirkungsweisen und regen dazu an, Erinnerung nicht nur zu rezipieren, sondern aktiv und differenziert zu reflektieren.
Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust erfolgt heute vielfach medial vermittelt – über Filme, Dokumentationen, Serien, Podcasts und digitale Formate. Doch wie wird dabei Geschichte erzählt? Welche Bilder werden geprägt, welche Emotionen angesprochen, welche Deutungen transportiert – und welche Perspektiven womöglich ausgeblendet?
Die Medienbeispiele dieser Playlist laden dazu ein, Erinnerung als mediale Konstruktion zu begreifen und kritisch zu hinterfragen. Sie zeigen, wie unterschiedliche Formate den Holocaust erzählen, wie fiktionale und dokumentarische Zugänge Wirkung entfalten, wie Biografien und Familiengeschichten zum Sprechen gebracht werden – und wie sich das gesellschaftliche Bild vom Holocaust im Laufe der Zeit verändert hat. Dabei wird auch sichtbar, wie Erinnerung selbst zum Gegenstand öffentlicher Debatten und medialer Selbstreflexion wird: etwa in Kontroversen um Täterdarstellungen, in experimentellen Kunstformen oder in Social-Media-Projekten.

[Bild: @eva.stories / Instagram]
Screenshots des Instagram-Kanals @eva.stories.
Aus pädagogischer Sicht eignen sich die Beispiele dieser Playlist besonders zur Förderung einer kritischen Medienkompetenz im Umgang mit historischen Themen: Wie funktioniert Erinnerung im digitalen Raum? Welche Verantwortung tragen Medien bei der Darstellung von Gewaltgeschichte? Und welche Formen medialer Erinnerungskultur können heutigen Generationen Orientierung, Empathie und Urteilsfähigkeit vermitteln?
Diese Playlist bildet somit eine fundierte Grundlage für weiterführende Zugänge – etwa zur Kontextualisierung filmisch vermittelten historischen Wissens, zur emotionalen Aneignung durch persönliche Perspektiven oder zur individuellen Auseinandersetzung mit Geschichte im digitalen Raum.
Die Sondersendung Eine Epoche vor Gericht dokumentiert die Berichterstattung der ARD zum Eichmann-Prozess in Jerusalem 1961/62 und gilt als Meilenstein in der medialen Auseinandersetzung mit dem Holocaust in der Bundesrepublik. Die journalistische Begleitung des Verfahrens zeigt eindrucksvoll, wie mediale Formate zur kollektiven Bewusstseinsbildung beitragen können. Besonders geeignet ist das Material im Unterricht zur Analyse historischer Berichterstattung, zur Diskussion über die mediale Vermittlung von Gerechtigkeit und zur Reflexion über den Wandel öffentlicher Erinnerung.
[Video: ARD]
Vor 60 Jahren: Eine Epoche vor Gericht 2/3 (ARD 2022): Der Ausschnitt zeigt einen anmoderierten Auszug aus den Videoaufzeichnungen im Gerichtssaal des Eichmann-Prozesses aus der Sondersendung Eine Epoche vor Gericht, Folge 13 vom 30.05.1961
Die ARD berichtete in rund 20-minütigen Sondersendungen über den weltweit beachteten Prozess gegen den SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann, maßgeblich beteiligt an der „Organisation des Holocaust“. Ein NDR-Team arbeitete dafür aus einem provisorisch eingerichteten Studio in Jerusalem. Die Sendungen kombinierten kommentierte Videoaufnahmen aus dem Gerichtssaal mit Interviews, Reportagen und Einschätzungen. Sie machten erstmals im bundesdeutschen Fernsehen die Zeugenaussagen von Holocaust-Überlebenden sichtbar – ein Bruch mit dem bis dahin verbreiteten Schweigen.
Für den Unterricht bieten sich vielfältige Möglichkeiten: Die Beiträge ermöglichen es, journalistische Vermittlungsformen zu analysieren, die gesellschaftliche Rezeption von NS-Verbrechen in der frühen BRD zu diskutieren und über die Rolle der Medien in der juristischen Aufarbeitung nachzudenken. Auch lässt sich thematisieren, welche Auswahlprozesse, Sprachbilder und Kameraperspektiven das Erinnern prägen.
Die dreiteilige ARD alpha-Dokumentation Vor 60 Jahren: Eine Epoche vor Gericht (2022) fasst die historischen Originalsendungen zusammen und ist in der ARD-Mediathek abrufbar (Teil 1 / Teil 2 / Teil 3). Ergänzende Hintergrundmaterialien finden sich bei der Bundeszentrale für politische Bildung.
Der Spielfilm Das schreckliche Mädchen von Michael Verhoeven erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die in ihrer Heimatstadt auf die Verdrängung und Tabuisierung der NS-Vergangenheit stößt – und dafür zur Zielscheibe wird. Inspiriert von der realen Biografie Anna Rosmus verbindet der Film satirische Zuspitzung mit politischer Klarheit und macht die Konflikte um Erinnerung, Schuld und Öffentlichkeit sichtbar. Für den Unterricht eignet sich der Film besonders zur Reflexion über lokale Erinnerungskultur, zur Analyse von Medien und Archiven als Machtinstanzen und zur Diskussion über die gesellschaftlichen Folgen von Geschichtsaufarbeitung.
[Video: Trailer World / YouTube]
Offizieller Trailer zu Michael Verhoevens Spielfilm Das schreckliche Mädchen (DE 1990)
Die Protagonistin Sonja beginnt als Schülerin eine historische Recherche über die NS-Zeit in ihrer Stadt – zunächst für einen Schüler*innen-Wettbewerb. Was harmlos beginnt, führt zu Konfrontationen mit Institutionen, Bürger*innen und der eigenen Familie. Der Film zeigt, wie tief Verdrängung in der deutschen Nachkriegsgesellschaft verankert war – und wie stark der Widerstand sein konnte, wenn die vermeintliche „Unschuld“ der Gemeinschaft infrage gestellt wurde. Mit Verfremdungseffekten, ironischer Brechung und stilisierten Kulissen durchbricht Verhoeven die filmische Konvention und stellt Fragen nach Wahrheit, Verantwortung und öffentlichem Schweigen.
Im Unterricht lässt sich der Film als Ausgangspunkt nutzen, um lokale Erinnerungskultur zu thematisieren: Wie wurde (und wird) in Städten, Schulen oder Familien mit der NS-Vergangenheit umgegangen? Welche Rolle spielen Archive, Medienberichte und Geschichtswettbewerbe? Auch die Inszenierungsmittel des Films – etwa das Brechen der vierten Wand, die stilisierte Farbgebung oder satirische Dialogführung – bieten Anknüpfungspunkte für eine medienanalytische Auseinandersetzung.
Der Film ist auf DVD erhältlich – Kinofenster.de bietet ein Filmheft und eine Filmbesprechung. Die reale Biografie von Anna Rosmus – insbesondere ihr Buch „Die Stadt ohne Erinnerung“ – kann begleitend im Unterricht genutzt werden.
Der Spielfilm Der Untergang inszeniert die letzten Tage des „Dritten Reichs“ aus der Perspektive von Adolf Hitlers engstem Umfeld im Führerbunker. Die vielfach diskutierte Darstellung rückt zentrale Akteure des NS-Regimes in den Mittelpunkt und wirft die Frage auf, ob und wie filmische Mittel Empathie für Täter*innenfiguren erzeugen können – oder ob sie diese bewusst unterlaufen. Im Unterricht eignet sich der Film besonders zur kritischen Auseinandersetzung mit Täter*innenperspektiven, zur Analyse filmischer Darstellungstechniken und zur Diskussion über historische Verantwortung in populären Geschichtserzählungen.
[Video: DeFilmBlock / YouTube]
Offizieller Trailer zum Kino-Spielfilm Der Untergang (DE/I/AT 2004)
Der Film basiert auf Zeitzeug*innenberichten, insbesondere auf den Erinnerungen von Hitlers Sekretärin Traudl Junge. In dramatischer Nahaufnahme zeigt er das Innenleben des Führungszirkels: Zerfall, Loyalität, Wahnsinn und ideologische Verblendung. Bruno Ganz’ Darstellung Adolf Hitlers wurde international diskutiert – zwischen filmischer Leistung und moralischer Gratwanderung. Die Inszenierung verzichtet auf unmittelbare Bilder der NS-Verbrechen, lässt deren Schrecken aber durch Dialoge, Andeutungen und historische Verweise präsent werden.
In der medienpädagogischen Arbeit kann Der Untergang eingesetzt werden, um filmästhetische Mittel wie Licht, Kamera und Musik zu analysieren, moralische Deutungsrahmen zu erkennen und die gesellschaftlichen Kontroversen rund um Täter*innendarstellungen zu diskutieren. Dabei lässt sich auch thematisieren, wie visuelle Nähe, Erzählhaltung und Figurenzeichnung unser Geschichtsbild prägen – und welche ethischen Fragen sich aus der medialen Inszenierung von NS-Täter*innen ergeben. Schüler*innen können lernen, filmische Narration im historischen Kontext zu deuten und zwischen Darstellung und Verharmlosung zu differenzieren.
Kinofenster.de bietet eine Filmbesprechung und Unterrichtsmaterial für den Film an.
Das Videokunstwerk I Will Survive: Dancing Auschwitz von Jane Korman zeigt den Holocaust-Überlebenden Adolek Kohn, seine Tochter und Enkelkinder tanzend an historischen Orten wie Auschwitz, Dachau und Theresienstadt. Der Clip durchbricht gängige Erwartungen an Opferdarstellungen und provoziert bewusst – als Einladung zur Reflexion über neue Formen der Erinnerungskultur im digitalen Zeitalter. Für den Unterricht eignet sich das Werk zur kritischen Auseinandersetzung mit künstlerischer Erinnerung, zur Diskussion über Authentizität und zur Reflexion über mediale Erwartungshaltungen.
[Video: jane korman / YouTube]
Das Videokunstwerk von Jane Korman Dancing Auschwitz (2009) wurde ursprünglich 2010 von der Künstlerin auf YouTube hochgeladen, später aber von ihr durch eine stumme Version ersetzt. 2024 hat sich Jane Koreman erneut dafür entschieden, die Originalversion mit Musik zur Verfügung zu stellen.
Jane Korman entwickelte das ursprünglich für eine Ausstellung konzipierte Werk gemeinsam mit ihrem Vater Adolek Kohn, einem Überlebenden von Auschwitz, und ihren Kindern. Im Zentrum stehen performative Tanzszenen zu Gloria Gaynors „I Will Survive“, aufgezeichnet an symbolisch stark aufgeladenen Orten der NS-Verbrechen. Die Veröffentlichung auf YouTube machte das Video international bekannt – und führte zu kontroversen Reaktionen: Während einige die Stärke der Überlebenden und die Unkonventionalität des Gedenkens würdigten, kritisierten andere eine vermeintliche Trivialisierung des Holocaust.
Kormans Projekt verweigert sich bewusst den üblichen visuellen und emotionalen Erwartungshaltungen an Holocaust-Darstellungen. Es irritiert, fordert heraus – und eröffnet damit einen Diskursraum: Wie wollen wir erinnern? Welche Formen sind „angemessen“? Und wer definiert die Regeln des Gedenkens?
Im Unterricht kann das Video als Beispiel für postmemoriale Kunst dienen und zur Diskussion über den Wandel sowie die Grenzen und Möglichkeiten künstlerischer Erinnerungskultur anregen. Thematisiert werden können dabei Fragen nach Rezeptionshaltungen, Medienästhetik, Nachgeborenen-Perspektiven und der Wirkung von Popkultur im Kontext des Gedenkens. Welche Erwartungen tragen wir selbst an Holocaustdarstellungen heran – und wie gehen wir mit künstlerischen Brüchen um? Auch der Umgang mit Kontroversen, etwa über Würde, Ausdruck und Authentizität, kann zum reflektierten Medienumgang beitragen.
Das Video ist auf dem YouTube-Kanal der Künstlerin frei zugänglich. Eine fundierte Auseinandersetzung bietet der Beitrag Dancing Auschwitz – Trivialisierung des Horrors? von Constanze Jaiser auf zeitgeschichte-online.
Der Dokumentarfilm Geheimsache Ghettofilm analysiert einen unvollendeten NS-Propagandafilm über das Warschauer Ghetto und setzt diesem historische Zeugnisse, Tagebucheinträge und Interviews entgegen. Die Dekonstruktion des manipulierten Bildmaterials zeigt eindrücklich, wie visuelle Medien zur Geschichtsverfälschung eingesetzt wurden. Für den Unterricht eignet sich der Film besonders zur Förderung quellenkritischer Medienkompetenz, zur Analyse von Propagandastrategien und zur Diskussion über ethische Herausforderungen beim Umgang mit Bildmaterial aus der NS-Zeit.
[VIDEO: bpb.de]
Vorspann des Dokumentarfilms Geheimsache Ghettofilm (DE/ISR 2010) von Yael Hersonski
Der Film basiert auf rund 60 Minuten Filmaufnahmen aus dem Jahr 1942, die unter Anweisung von SS-Stellen im Warschauer Ghetto entstanden. Unter Zwang entstanden Szenen des scheinbar „normalen“ jüdischen Lebens – eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit. Diesen Aufnahmen stellt Regisseurin Yael Hersonski Aussagen von Überlebenden, Tagebuchauszügen und den Protokollen eines der Kameraleute gegenüber. Auf diese Weise entlarvt sie das Filmmaterial nicht nur als Propaganda, sondern zeigt auch die Gewalt, die in der gezielten Bildproduktion selbst steckt.
Im Unterricht lässt sich Geheimsache Ghettofilm für quellenkritische Arbeit einsetzen: Schüler*innen können zwischen visueller Oberfläche und dokumentierter Wirklichkeit unterscheiden lernen, manipulative Darstellungsstrategien analysieren und über die Verantwortung beim Umgang mit belastendem Material reflektieren. Auch ethische Fragen – etwa die Wiederverwendung von Täter*innenbildern – können thematisiert werden.
Dokumentarfilm von Alice Agneskirchner
Alice Agneskirchners Dokumentarfilm Wie ,Holocaust‘ ins Fernsehen kam rekonstruiert die Entstehung, Ausstrahlung und Wirkung der US-Fernsehserie Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss in der Bundesrepublik. Der Film zeigt eindrücklich, wie ein fiktionales Format ein kollektives Umdenken über die NS-Verbrechen auslösen konnte – und welche erinnerungskulturellen Debatten daraus entstanden. Im Unterricht eignet sich der Film zur Reflexion über die Rolle des Fernsehens als Erinnerungsmedium und zur Diskussion über die Wirkung fiktionaler Geschichtserzählungen.
[Video: WDR/SWR/NDR, 3sat / Grimme-Institut]
Trailer anlässlich der Grimme-Preisverleihung zum Dokumentarfilm Wie 'Holocaust' ins Fernsehen kam (DE 2020) von Alice Agneskircher
Mit aufwändiger Archivrecherche, Zeitzeugeninterviews und analytischer Rahmung zeichnet die Regiesseurin Agneskirchner nach, wie es zur Ausstrahlung der US-Serie Holocaust Ende der 1970er Jahre im deutschen Fernsehen kam. Dabei thematisiert sie nicht nur die Entstehung der Serie, sondern auch die gesellschaftliche Ausgangslage, das damalige Schweigen über die NS-Verbrechen und die Diskussionen, die durch die Ausstrahlung ausgelöst wurden.
Der Dokumentarfilm macht die Vielschichtigkeit des historischen Moments sichtbar: Die Serie als künstlerisches Produkt, als politisches Medienereignis und als Katalysator eines erinnerungskulturellen Umbruchs. Besonders spannend ist dabei die medienkritische Perspektive: Welche Verantwortung tragen fiktionale Formate bei der Darstellung historischer Verbrechen? Wie konstruiert Fernsehen Öffentlichkeit? Und wie wirken solche Produktionen in eine Gesellschaft hinein?
Für den Unterricht bietet der Film zahlreiche Anknüpfungspunkte – etwa zur Reflexion über fiktionalisierte Geschichtsdarstellungen, zur Analyse medialer Wirkungsmacht oder zum Vergleich mit heutigen Formen medial vermittelter Erinnerung.
Die Dokumentation wurde 2020 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet und ist auf bpb.de verfügbar.
Instagram-Story
Eva.Stories ist eine innovative Instagram-Serie, die die Tagebuchaufzeichnungen der 13-jährigen ungarischen Jüdin Eva Heyman in das Story-Format des sozialen Netzwerks überträgt. Das Projekt verbindet historische Quellen mit gegenwärtiger Bildsprache und ermöglicht besonders jüngeren Zielgruppen einen emotionalen und personalisierten Zugang zur Geschichte. Im Unterricht eignet sich das Format zur Auseinandersetzung mit digitalem Erinnern, zur Analyse neuer Erzählformen und zur Diskussion über Chancen und Grenzen der medialen Vermittlung von Holocaust-Erfahrungen.
[Video: Leo Burnett Israel ליאו ברנט ישראל / YouTube]
„Was, wenn ein Mädchen im Holocaust Instagram gehabt hätte?“ – Trailer zur Instagram-Story Eva.Stories (ISR 2019)
In rund 70 Kurzvideos erzählt Eva.Stories den Alltag und das Verfolgungsschicksal von Eva Heyman – von ihrer Kindheit in Nagyvárad bis zur Deportation nach Auschwitz. Die Geschichte wird in der Ästhetik einer klassischen Instagram-Story inszeniert: mit direkter Ansprache, Selfie-Perspektive, Hashtags und eingeblendeten Texten. Die Serie kombiniert dokumentarische Anklänge, fiktionale Darstellung und technische Raffinesse zu einem eindrucksvollen Erinnerungsformat, das besonders die Nähe zur Figur emotional verstärkt.
Das Projekt wurde international beachtet – und auch kontrovers diskutiert: Während manche die ästhetische Verdichtung und emotionale Zugänglichkeit lobten, kritisierten andere eine mögliche Trivialisierung des Holocausts. Gerade diese Ambivalenz macht Eva.Stories aber für die Bildungsarbeit interessant: Es veranschaulicht, wie Erinnerungskultur in sozialen Netzwerken funktioniert, welche Erzählweisen sich etablieren – und welche Fragen sich daraus für Authentizität, Rezeption und Verantwortung ergeben.
Im Unterricht kann die Serie als Ausgangspunkt dienen, um über digitale Erinnerungskultur zu reflektieren: Welche Wirkung entfalten Plattformen wie Instagram? Wie verändert sich historische Darstellung im Social Web? Welche Potenziale, aber auch Grenzen, bergen solche Formate für historisches Lernen? Das Projekt lässt sich medienanalytisch ebenso bearbeiten wie im Kontext politischer Bildung und emotionaler Geschichtsaneignung.
Eva.Stories ist über das Instagram-Profil @eva.stories abrufbar. In Deutschland entstand 2021 mit @ichbinsophiescholl ein ähnliches Projekt über die letzten zehn Monate im Leben der Widerstandskämpferin Sophie Scholl.
Der TikTok-Kanal @keine.erinnerungskultur von Susanne Siegert nutzt die Kurzvideoplattform, um über die Verbrechen des Nationalsozialismus aufzuklären und zur aktiven Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur aufzurufen. Die Clips greifen historische Themen ebenso auf wie aktuelle Debatten zu Rechtsextremismus oder Antisemitismus und sprechen vor allem junge Zielgruppen an. Im Unterricht eignet sich der Kanal zur Analyse digitaler Geschichtsvermittlung, zur Reflexion über Erinnerung außerhalb klassischer Institutionen und zur Diskussion über politische Bildung auf Social Media.
[Video: @keine.Erinnerung / TikTok]
TikTok-Story "Mal ehrlich, wie kann es sein, dass diese Widerstandsaktion SO unbekannt ist?!" von 2024.
Susanne Siegert produziert kurze Videos im Stil gängiger TikTok-Formate – direkt, dialogisch und pointiert. Inhaltlich behandelt sie u. a. vergessene Gedenkorte, symbolische Sprache im öffentlichen Raum oder das Weiterwirken antisemitischer Narrative. Dabei verbindet sie persönliche Ansprache mit fundierter historischer Kontextualisierung. Der ironisch formulierte Name des Kanals – @keine Erinnerungskultur“ – thematisiert selbstkritisch die Lücken im gesellschaftlichen Gedächtnis und appelliert an die Verantwortung der Nachgeborenen.
Der Kanal eignet sich im Unterricht als Ausgangspunkt für Diskussionen über digitale Erinnerungskultur: Welche Sprache braucht Erinnerung auf TikTok? Wie lässt sich historische Komplexität in einem 60-Sekunden-Format darstellen? Und wie verändert sich Geschichtsbewusstsein durch soziale Medien? Auch Fragen nach Glaubwürdigkeit, medialer Verantwortung und politischer Positionierung können thematisiert werden.
@keine.erinnerungskultur ist frei über TikTok zugänglich. 2024 wurde Susanne Siegert für ihre Arbeit mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Darüber hinaus sprach sie 2025 auf der re:publica zum Thema Keine Erinnerungskultur: Wie sich unser Gedenken an den Holocaust verändern muss.
Spielfilm von Jonathan Glazer
Der Spielfilm The Zone of Interest zeigt das alltägliche Leben der Familie des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß – direkt neben dem Vernichtungslager, das im Film selbst nicht zu sehen ist. Die radikale Erzählweise rückt die Normalität des Bösen ins Zentrum und macht das Nebeneinander von bürgerlichem Familienleben und industriellem Morden auf erschütternde Weise erfahrbar. Im Unterricht eignet sich der Film zur Analyse indirekter Darstellungsstrategien, zur Auseinandersetzung mit Tätergesellschaften und zur Reflexion über ethische Formen filmischer Distanzierung.
[Video: Kino on Demand / YouTube]
Offizieller Trailer zum Spielfilm The Zone of Interest (USA/GB/PL 2023)
Der Film basiert lose auf dem gleichnamigen Roman von Martin Amis und konzentriert sich auf das Leben der Familie Höß auf einem Anwesen unmittelbar neben Auschwitz. Das Grauen bleibt akustisch präsent – durch Schüsse, Schreie und das Rattern der Züge –, während visuell ein ruhiges, scheinbar geordnetes Familienidyll im Vordergrund steht. Der Ton wird zum zentralen erzählerischen Mittel: Er konfrontiert das Publikum mit dem Unsichtbaren und zwingt zur aktiven Imagination des Holocausts.
Glazer verzichtet bewusst auf emotionale Zuspitzung oder psychologisierende Erklärungen. Gerade durch diese Auslassung entsteht eine beklemmende Spannung: Die Gewalt ist nicht explizit, aber allgegenwärtig. Die filmische Zurückhaltung fordert die Zuschauenden heraus, über Nähe und Distanz, Mitwissen und Verdrängung sowie die Alltäglichkeit von Täterschaft nachzudenken.
Im Unterricht bietet der Film einen Ausgangspunkt zur Diskussion über moralische Abstumpfung, Verantwortung in Tätergesellschaften und über neue ästhetische Zugänge zur Darstellung des Holocaust. Die Funktion der Tonebene, die Perspektivwahl und der Gegensatz zwischen Bild- und Tonspur eröffnen vielfältige Möglichkeiten zur Analyse filmischer Mittel und zur ethischen Reflexion.
Kinofenster.de bietet eine Filmbesprechung, Unterrichtsmaterial und Sequenzanalysen. Der Film ist in ausgewählten Mediatheken verfügbar. Vision Kino bietet ein ausführliches Filmheft an.
Podcast von Deutschlandfunk Kultur
Der Podcast Die Geschichte geht weiter verbindet Originalzitate aus den Tagebüchern des jüdischen Literaturwissenschaftlers Victor Klemperer mit aktuellen Kommentaren der Historikerin Leonie Schöler. Im Fokus steht die Frage, wie Erinnerung über Sprache, Medien und Erzählweise transportiert wird – und wie historische Selbstzeugnisse zur kritischen Deutung gegenwärtiger gesellschaftlicher Entwicklungen beitragen können. Im Unterricht eignet sich der Podcast zur Analyse erinnerungskultureller Narrative, zur Reflexion über politische Sprache und zur Auseinandersetzung mit digitalen Formaten historischer Vermittlung.

[Audio und Bild: Deutschlandfunk Kultur]
Trailer zum Podcast Die Geschichte geht weiter – Victor Klemperers Tagebücher
Klemperers Tagebücher (1918–1959) dokumentieren Antisemitismus, Ausgrenzung und politisches Wegsehen in der deutschen Gesellschaft – von der Weimarer Republik über das NS-Regime bis in die frühe DDR. Udo Samel spricht zentrale Passagen ein, ergänzt durch Archivmaterial, Originaltöne und kontextualisierende Erläuterungen von Leonie Schöler. Besonders eindrücklich ist Klemperers Analyse der NS-Sprache in seinem Werk LTI – Lingua Tertii Imperii, das auch heute noch zur Sprachkritik an autoritären Tendenzen anregt.
Im Unterricht kann der Podcast als Beispiel für mediale Erinnerungskultur im digitalen Raum genutzt werden. Er ermöglicht eine kritische Auseinandersetzung mit politischen Sprachmustern, der Bedeutung autobiografischer Quellen und der journalistischen Vermittlung von Geschichte. Schüler*innen können analysieren, wie historische Erfahrungen in ein modernes Audioformat übersetzt werden – und welche Wirkung dabei durch Auswahl, Erzählinstanz, Ton und Kommentierung entsteht. Auch bietet sich eine Reflexion über die Grenzen und Chancen digitaler Formate in der Erinnerungskultur an.
Der Podcast Die Geschichte geht weiter – Victor Klemperers Tagebücher ist kostenlos über die Website von Deutschlandfunk Kultur abrufbar. Bonusfolgen, ein Glossar und didaktisches Begleitmaterial ergänzen das Angebot. Leonie Schöler wurde 2024 für ihre Arbeit mit dem Karl-Wilhelm-Fricke-Nachwuchspreis ausgezeichnet.
Christian Kitter ist gelernter Erzieher und studierte an der Freien Universität Berlin Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik. 1996 begann er seine Tätigkeit als Medienpädagoge bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen. Schwerpunkt seiner Arbeit waren Grundschulprojekte zur Vermittlung von Medienkompetenz im Unterricht. Als leitender Redakteur war er für die Entwicklung digitaler Materialien für den Einsatz in Schule und Jugendarbeit verantwortlich (Krieg in den Medien, Faszination Medien), die in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung entstanden.

- Interview
- Ein Interview über verschiedene Aspekte von Verschwörungstheorien
- Playlist
- Historisches Wissen vermitteln und kontextualisieren
- Playlist
- Persönliche Erfahrungen nachvollziehen und Empathie fördern
- Playlist
- Geschichte aktiv erschließen und Gegenwartsbezüge herstellen
Dirk Uhlig arbeitete bereits seit 2007 als freier Gestalter eng mit dem Medienpädagogik-Team der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) für die Entwicklung und Umsetzung der Projekte Krieg in den Medien und Faszination Medien zusammen. Seit 2017 gehört er zum festen Team der Medienpädagogik der FSF. Nebenbei ist er als freier Dokumentarfilmschaffender tätig.

- Interview
- Rassismus in Schule und Medien
- Playlist
- Persönliche Erfahrungen nachvollziehen und Empathie fördern
- Playlist
- Geschichte aktiv erschließen und Gegenwartsbezüge herstellen
- Interview
- Dr. Jens-Christian Wagner über erinnerungskulturelle Arbeit
Viviane Winkler studiert Medienwissenschaft (M.A.) an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf und ist seit 2024 als Werkstudentin bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) tätig.

[Bild: privat]
- Playlist
- Historisches Wissen vermitteln und kontextualisieren
- Playlist
- Persönliche Erfahrungen nachvollziehen und Empathie fördern
- Playlist
- Geschichte aktiv erschließen und Gegenwartsbezüge herstellen
- Zahlen / Fakten
- Was die Generation Z wirklich bewegt