Artikel

YouTube – zwischen Desinformation, Werbung und Journalismus

Eva Lütticke

mediendiskurs, 01/2023

Gelingt es Nutzerinnen und Nutzern, auf YouTube zwischen gut recherchierten und irreführenden Inhalten zu unterscheiden? Und welche Rolle spielen dabei subjektive Bewertungskategorien oder allgemeine Einstellungen gegenüber den Medien? Diese Fragen untersucht die Studie Wissenschaftsjournalismus auf YouTube.

Viele Medienangebote haben im Zuge der Covid-19-Pandemie an Reichweite gewonnen. Eine Plattform, die dabei besonders viel Publikumszuwachs erfahren hat, ist YouTube. Die Social-Media-Plattform wird zwar überwiegend zu Unterhaltungszwecken genutzt, ist aber auch ein zunehmend wichtiger Kanal für wissenschaftliche Themen. YouTube-Videos zur Klimakrise oder zur Covid-Pandemie überzeugen durch ansprechende Gestaltung und einfache Sprache und generieren enorm viele Klicks. Doch nicht selten enthalten diese Videos irreführende Darstellungen. Um die Informationen einzuordnen, müssen die Zuschauenden zwischen gezielter Desinformation, pseudowissenschaftlichen Erklärungen und sorgfältig recherchierten aufbereiteten Inhalten unterscheiden.

Wie gut gelingt das den Nutzerinnen und Nutzern? Und welche Rolle spielen dabei subjektive Bewertungskategorien oder allgemeine Einstellungen gegenüber den Medien? Diese Fragen untersucht die Studie Wissenschaftsjournalismus auf YouTube. Die repräsentative Befragung wurde von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) in Zusammenarbeit mit der Senatskanzlei Berlin, der Landesanstalt für Medien NRW und der Medienanstalt Rheinland-Pfalz beauftragt und von der pollytix strategic research gmbh durchgeführt.

Die Studienergebnisse

Im Rahmen der Studie mussten die Teilnehmenden zwei Wissenschaftsvideos bewerten: ein Negativbeispiel über das Aussterben der Eisbären, in dem zwar Quellen genannt werden, das Thema jedoch verzerrt dargestellt wird, sowie ein Positivbeispiel für Wissenschaftsjournalismus über Geoengineering.

Fragwürdige Inhalte entdecken und deren Herkunft prüfen

Die Mehrheit der Befragten ordnete das Negativbeispiel als tendenziell glaubwürdig ein – ebenso wie das Positivbeispiel. Auf einer Skala von 0 bis 10 erhielten die Eisbären durchschnittlich einen Wert von 5,9. Damit liegt die Glaubwürdigkeit des Negativbeispiels nur knapp unter dem Ergebnis des Positivbeispiels (6,3).

Bei der Bewertung der Videos spielten vor allem das Medienvertrauen und generell das Vertrauen in die Wissenschaft eine Rolle.

Wer ein niedriges Medienvertrauen aufweist, kann schlechter zwischen den Videos unterscheiden und bewertet das Negativbeispiel am positivsten.

(Wissenschaftsjournalismus auf YouTube, 2022, S. 12)

Die Kriterien, die die Teilnehmenden zur Bewertung wissenschaftlicher Videos heranziehen, sind meist subjektiv. Zwar können journalistische Sorgfaltskriterien auf abstrakter Ebene erkannt, aber nicht als solche benannt werden. Die Studienteilnehmenden nennen vor allem das Vorhandensein von mehreren Quellen als Grund, dem Inhalt Glauben zu schenken (79 %). Nur Wenige hinterfragen die aufgeführten Quellen kritisch. Mit anderen Worten: Die Quantität der Quellen ist für die Glaubwürdigkeit des Videos wichtiger als deren Qualität. Weitere Bewertungskriterien sind u. a. die professionelle Gestaltung des Videos, die Kompetenz und Sympathie der moderierenden Person sowie die Neutralität und sachliche Darstellung des Themas (vgl. ebd., S. 33). Als Hilfestellung zur Einordung von Inhalten blendet YouTube zu manchen Videos zusätzliche Informationen ein. Diese werden jedoch kaum wahrgenommen. Lediglich 41 % der Befragten gibt an, solche Hinweise schon einmal wahrgenommen zu haben. Zudem werden die Informationen „nicht immer verstanden bzw. falsch interpretiert“. (Ebd., S. 38)

Die Studienergebnisse veranschaulichen, dass es den Teilnehmenden schwerfällt, gut recherchierte Inhalte von verzerrten Darstellungen in Wissenschaftsvideos zu unterscheiden. Rund ein Drittel habe durch die „verzerrten Darstellungen wissenschaftlicher Fakten seine Meinung geändert oder Zweifel daran entwickelt“ (Pressemittelung der mabb vom 28.09.2022).

Als Fazit fasst mabb-Direktorin Dr. Eva Flecken zusammen: „Im Kampf gegen Desinformation und für einen demokratischen Diskurs spielt das Einordnen wissenschaftlicher Inhalte eine zentrale Rolle. Die Studienergebnisse zeigen dennoch sehr klar, dass dieses kritische Hinterfragen keine Selbstverständlichkeit ist. Das hat reale Folgen. Meinungen werden zu Fakten, Falschmeldungen zu Information. Umso wichtiger ist es, durch die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflichten und die Förderung von Informations- und Nachrichtenkompetenz die freiheitliche Medienordnung zu stärken und Nutzer:innen zu befähigen, den inneren ‚Vertrauens-Kompass‘ zu stabilisieren.“ (Ebd.)

Zu den vollständigen Ergebnissen:

Literatur:

Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb): Wissenschaftsjournalismus auf YouTube. Abrufbar unter: mabb.de (Letzter Zugriff: 16.01.2023)

Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb): Defizite bei Einordnung wissenschaftsjournalistischer Inhalte auf YouTube (28.09.2022). Abrufbar unter: mabb.de (Letzter Zugriff: 16.01.2023)

Autorin

Eva Lütticke studiert Medienwissenschaften an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Neben dem Studium arbeitet sie als freie Redakteurin für verschiedene Blogs und ist seit 2019 als studentische Mitarbeiterin bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen tätig.

[Bild: privat]